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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle
Autoren: Hera Lind
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schließt doch Geldverdienen nicht aus«, fügte ich selbstbewusst hinzu. »Das lässt sich ja mit dem Beruf der Medizinerin schon vereinbaren. Oder ist das etwa eine Schande?« Etwas zu trotzig trampelte ich auf dem Pappkarton herum.

    »Klingt kompliziert«, brummte Stefan und schnitt eine Grimasse.
    »Nein«, behauptete ich cool. »Das Medizinstudium ist genauso simpel wie eine Banklehre. Nur nicht ganz so langweilig«, setzte ich noch eins drauf.
    »Woher willst du eigentlich wissen, wie langweilig eine Banklehre ist?« Kampfeslustig sprang Stefan auf seine langen Beine und sah mich so merkwürdig an.
    »Wie, habe ich jetzt etwas Falsches gesagt?« Meine Stimme klang ein bisschen schrill.
    Noch ehe ich den Kopf zur Seite drehen konnte, nahm er mein Kinn und zog mich zu sich heran. Nun war ich gezwungen, ihm in die Augen zu sehen. Sie waren von einem tiefdunklen Blau.
    »Weil ich eine Banklehre gemacht habe, deshalb.«
    Ich räusperte mich, weil ich plötzlich ein bisschen heiser war.
    »Oh.« Verlegen drehte ich den Kopf weg. »So habe ich dich gar nicht eingeschätzt. Ich meine, du wirkst so praktisch. Quadratisch, praktisch, gut«, setzte ich noch einen drauf.
    »Ach ja? Wie hat die hanseatische Prinzessin mich denn eingeschätzt?«
    »Oh Mann!«, gab ich mich geschlagen. »Lassen wir das. Bis jetzt hatten wir doch Spaß, oder?«
    »Du meinst, nur weil ich keinen Seitenscheitel trage und keine Bundfaltenhose, sehe ich so aus, als könnte ich nicht bis drei zählen?«
    »Do… doch.« Mir gingen langsam die spitzzüngigen Bemerkungen aus. »Ist ja schon gut, Mann, reg
dich nicht künstlich auf. Du schreibst deine Diplomarbeit in Betriebswirtschaft, und die Banklehre habe ich dir halt nicht angesehen. Das sollte ein Kompliment sein, Stefan!«
    »An eines solltest du dich schon mal gewöhnen, Prinzessin«, sagte Stefan. »Ich kann einfach keine Vorurteile und Ungerechtigkeiten ertragen. Mir gefällt das, wie du dich hier tapfer durchschlägst. Und ich bin beeindruckt, dass du dich mit deinem klapprigen R 5 bis hierher durchgeschlagen hast. Auch wenn du modisch nicht ganz auf dem neuesten Stand bist: Du hast was, Süße, mich haust du vom Hocker!«
    »Aber …?«, meinte ich schwach. Zu meiner Überraschung fühlte ich, wie meine Streichholzbeine zitterten.
    »Ich komme vielleicht nicht aus einem so hochherrschaftlichen Elternhaus wie du. Mein Vater ist kein Herr Doktor, und meine Mutter hat kein Spielzeuggeschäft am Jungfernstieg in Hamburg. Dafür hat mein Papa Schlosser gelernt, bevor er in der EDV sein Ding machte, und Mama war immer für meinen Bruder Marco und mich da. Und du wirst lachen, Konstanze, aber vor dir steht der jüngste Gemeinderat von Wendelstein!«
    »Du bist … was?« Ich wich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Also wie ein dicker, schwätzender Politiker siehst du wirklich nicht aus!«
    »Sondern?«
    »Gar nicht wie ein Mann großer Worte. Eher …« Ich zeigte auf all das, was Stefan hier schon in meiner Bude vollbracht hatte: »Wie ein Mann der Tat.«

    »Da siehst du mal, wohin Vorurteile führen können.«
    Nervös wischte ich mir die schmutzigen Hände an den Jeans ab. Wahrscheinlich hatte ich den Mann bisher total unterschätzt. Plötzlich war ich bestürzt.
    »Glaubst du, ich mache mir keine Gedanken um das Wohlergehen der Menschheit? Solche Gedanken sind wohl nur für hochwohlgeborene Prinzessinnen von der Alster reserviert?«
    »Aber wie bist du ausgerechnet in der Politik gelandet?« Ich lehnte mich zurück und breitete die Arme aus. »Erzähl!«
    Jetzt kam aber Leben in meinen Handwerker! Er holte tief Luft.
    »Mein Ziel ist es, frischen Wind in die Politik zu bringen. Wo sind die mitreißenden Reden geblieben? Wo ist die ganze Begeisterung hin? Findest du nicht auch, dass unsere Regierung ziemlich blass aussieht?«
    Ich strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Wie meinst du das?«, fragte ich, um Zeit zu gewinnen.
    Stefan redete sich nun richtig in Fahrt.
    »Ich kann nicht mit ansehen, wie die Zukunft unseres Landes durch den Egoismus der Einzelnen zerstört wird. Wusstest du, dass auf tausend Einwohner nur noch acht Babys geboren werden?«
    »Nein!« Ich zuckte die Achseln. »Aber was beschäftigt dich so daran? Ich meine, du bist jung, du könntest selbst erst mal ein bisschen Spaß im Leben haben …«
    Um Stefans Mundwinkel zuckte es. »Den werde ich
auch haben, verlass dich drauf! Aber nicht mit Egoismus und Kälte.«
    »Sondern?« Ich streckte das Kinn
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