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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle
Autoren: Hera Lind
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wieder sehr intensiv in die Augen und sagte dann leise, aber deutlich auf Hochdeutsch: »Ich bin dir nachgereist, weil ich dich heiraten will!«
    Ich erstarrte. Der hatte doch wohl voll einen Blattschuss! Ich fasste mir an den Hals.
    »Du willst mich hei… Hast du sie noch alle?«
    »Na ja, nicht sofort. Eins nach dem anderen. Als Erstes werde ich dir mal ein bisschen zur Hand gehen. Ich finde, du solltest wissen, wie alltagstauglich ich bin.«
    Und so kam es, dass ich ihn doch tatsächlich mit auf meine Schmuddelbude nahm.
    »Kann ich dir … ähm … Tee?« Blinzelnd fixierte ich den schmierig-verklebten Wasserkocher, der auf der Fensterbank zwischen toten Fliegen sein Dasein fristete.
    »Nee, lass mal. Ein kaltes Bier wär mir lieber.« Stefan kümmerte sich bereits um meine Einkäufe. Seine Hände waren zupackend und kräftig. Ich zwang mich, sie nicht länger anzusehen.
    Auf zitternden Giraffenbeinen stürmte ich davon und besorgte Bier. Aus der Besucherkantine. Scheußliches Dosenbier, das ich unter normalen Umständen nicht mit der Kneifzange angefasst hätte.
    Als ich zurückkam, hatte er bereits den Duschvorhang montiert. Immerhin. Alltagstauglich war er also. Bestimmt konnte er auch einen Hammer schwingen. Und mit einem Schraubenzieher umgehen. Womöglich sogar mit einem Bohrer. Wenn ich da an Väterchen
dachte, der stets im gebügelten Hemd mit Fliege, Weste und feinsten Tuchhosen erschien … Der gab Handwerkern höchstens Anweisungen. Aber einen Nagel hatte der noch nicht in die Wand geschlagen. Jedenfalls nicht, seit ich auf der Welt war. Allein schon deshalb musterte ich diesen Handwerksgesellen namens Kuchenmeister aus Wendelstein neugierig von der Seite. Kind, verwehre nie eine helfende Hand, dachte ich. Der Mann meint es nur gut mit dir. Womöglich taugt der tatsächlich was? Nun, auch meine Gardinenstangen waren im Nu angebracht. Ein Mann zum Pferdestehlen, schoss es mir durch den Kopf.
    »Wieso tust du das alles für mich?« Mit verschränkten Armen lehnte ich verdattert im Türrahmen.
    »Ich habe doch gesagt, dass ich dich kennenlernen will!«
    Stefan musterte mich eindringlich. Ein bisschen peinlich war es mir schon, dass ich ausgerechnet in der schlichten Atmosphäre dieses Schwesternheims in meinem Höhere-Tochter-Look rumlief. Mein Gott, ich hatte halt keine anderen Klamotten! So war ich aufgewachsen! Muttern hatte mich schon immer in solche Ensembles gesteckt, wahrscheinlich, seit ich keine Windeln mehr trug, wenn nicht schon vorher.
    Und im blau-weiß gestreiften Schwesternkittel mit den dazu passenden Plastikgesundheitslatschen hatte ich mich nun auch nicht in die Öffentlichkeit, sprich in den Baumarkt wagen wollen.
    »He, Moment mal! Wer sagt dir eigentlich, dass ich das auch will?«

    »Das finden wir ja gerade heraus!«
    Der patente Franke hatte tatsächlich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um meine Adresse herauszukriegen, und war mir bis nach England nachgereist.
    Bei mir war es wahrscheinlich der Drang gewesen, meinem strengen Elternhause zu entkommen, der mich nach Nürnberg und jetzt in diesen grauen Vorort Londons getrieben hatte.
    Mutterseelenallein.
    Aber nun war ich nicht mehr ganz so mutterseelenallein. Stefan war da.
    So ganz abgeschreckt hatte mein bürgerlich-braves Outfit diesen hartgesottenen Landsmann offensichtlich nicht, denn er machte keinerlei Anstalten zu verschwinden.
    »In Nürnberg warst du ja nie allein anzutreffen. Da schwirrten immer alle möglichen Leute um dich herum.«
    »Ja, klar. Kommilitonen und so.«
    »Und da dachte ich, dass wir uns hier in London doch viel besser kennenlernen können.«
    Ich starrte ihn an.
    »Du spinnst doch!«, brach es aus mir heraus. Allerdings hatte dieser Mann nichts Unheimliches an sich und wirkte kein bisschen wie ein gefährlicher Psychopath oder so was. Irgendwie fühlte ich mich jetzt sogar ein bisschen geschmeichelt.
    »Glaubst du? Wenn ich mir was vornehme, ziehe ich es auch durch.«
    Na prima!, dachte ich. Er will mich kennenlernen.
Super. Das sah auf jeden Fall nach Kurzweil aus. Der dicke Kloß im Hals hatte sich längst verflüchtigt. Auch das Heimweh war wie weggeflogen.
    »Und dafür bist du mir tausend Kilometer hinterhergefahren?« Ein wenig wurde mir weich in den Knien. Gern hätte ich an seiner Bierdose genippt.
    Stefan nahm einen großen Schluck und hielt sie mir dann wie selbstverständlich hin. Gedanken lesen konnte er offensichtlich auch.
    Er wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund und
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