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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle
Autoren: Hera Lind
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heißen?« Ich starrte den Kerl fassungslos an. Meine Halsschlagader pulsierte.
    »Ich weiß, was ich will.« Plötzlich war seine Stimme ganz tief. »Und wenn ich etwas will, gebe ich nicht auf, bis ich es erreicht habe. Und ich wollte dich kennenlernen.« Er stupste mich an und grinste breit.
    Okay, meine Eltern hatten nichts damit zu tun. Ich entspannte mich etwas, lächelte den fränkischen John Travolta mit meinem allersüßesten Höhere-Tochter-Lächeln an und teilte ihm mit, dass ich Konstanze heiße. Konstanze Haber. Aber vielleicht wusste er das schon.
    »Ich bin der Stefan«, sagte mein Tiergarten-Bekannter fröhlich und schüttelte vehement mein zartes Händchen. »Kuchenmeister.«
    Ein Konditor? Ein Bäcker? Meine Güte, dachte ich halb amüsiert, halb angespannt. Jetzt hab ich den an der Backe. Was will der bloß von mir?
    »Kuchenbäcker? So eine Art … Dr. Oetker? Machst du das beruflich?««
    »Stefan Kuchenmeister«, wiederholte er amüsiert. »So heiße ich.«

    »Schöner Name eigentlich.« Irgendwie begann mir dieses Gespräch Spaß zu machen.
    »Aus Wendelstein. Ich studiere Wirtschaftswissenschaften. Aber meine Mutter kann tatsächlich wunderbar backen. Und mein Vater grillt die besten Bratwürstle weit und breit. Nur, damit du dir von deinen zukünftigen Schwiegereltern schon mal ein Bild machen kannst.«
    Überrascht starrte ich diesen Stefan an. Er konnte also sehr wohl Hochdeutsch. Und studieren tat er auch.
    »Ich muss … gehen«, stammelte ich nervös, als ich meine Freundin von der Toilette wiederkommen sah. »War nett, dich kennengelernt zu haben, Stefan.«
    »Wann sehen wir uns wieder?« Stefan wollte meine Hand nicht loslassen.
    »Ich schätze, nicht so bald«, antwortete ich verlegen und rieb mir die Nase. Dann hob ich den Kopf und warf meine langen Haare in den Nacken: »Ich gehe nämlich nach London.«

3
    Wer Arzt werden will, muss ganz klein anfangen. Ganz, ganz klein. Mit Putzarbeiten und Nachtschicht. Das Krankenhaus in einem schäbigen Vorort von London war grässlich altmodisch, miefig und versifft. Ich hatte dort eigentlich nichts anderes zu tun, als Körperflüssigkeiten jeder Art vom Boden aufzuwischen.
    Niemand, der nicht selbst Medizin studiert und den dornenreichen Weg eines angehenden Arztes beschritten hat, macht sich eine Vorstellung davon, wie hart das ist. Wie erniedrigend, wie entwürdigend und mühsam ein Medizinstudium ist. Man büffelt etwa zwölf Stunden am Tag. Vorausgesetzt, man wischt nicht gerade Blut, Urin oder Erbrochenes auf. Wahrscheinlich, um uns junge, naseweise Möchtegern-Doktoren abzuschrecken wie weich gekochte Eier.
    Mama hatte es ja gewusst: Ich hätte doch lieber ihre Goldgrube am Jungfernstieg übernehmen sollen.
    Zerknirscht, gefrustet, übermüdet und voller Heimweh trabte ich gerade in mein trostloses Schwesternwohnheim zurück, bewaffnet mit einem Duschvorhang, Gardinenstangen, diversen Putzmitteln und ein paar schlichten Blümchen für mein prunkloses Zimmer, die ich in meinem unbeholfenen Englisch in einem
nahe gelegenen Baumarkt erstanden hatte. Dabei kam ich mir in meiner Pullunder-Bluse-Faltenrock-Kombination samt Perlenkette und Bommelpumps einfach nur fehl am Platze vor. Du schaffst das, Konstanze!, sagte ich mir im O-Ton Muttern. Reiß dich zusammen! Aller Anfang ist schwer. Einen Kloß von der Größe eines Tennisballs hinunterschluckend, schloss ich gerade meinen klapprigen Kleinwagen ab, als … Ja sah ich denn jetzt schon Gespenster? Oder war es eine Wunschvorstellung?
    Tatsächlich! Der Franke! Lässig lehnte er an der grauen Mauer. Die Schnürsenkel seiner Turnschuhe waren offen, das Haar zerzaust, das T-Shirt auf Halbmast.
    »Das gnädige Fräulein war einkaufen?« Mit beiden Händen in den Hosentaschen schlenderte er auf mich zu, als wären wir schon seit Jahren Nachbarn.
    Abwehrend hob ich die Hände: »Wer hat dich geschickt? Meine Eltern, stimmt’s? Sie haben sich’s anders überlegt und wollen mich nun mit Gewalt zurück nach Hamburg holen. Damit ich doch das Spielwarengeschäft am Jungfernstieg …«
    Der große Typ lachte und nahm mir das sperrige Zeug ab. Dabei roch ich sein männlich-herbes Aftershave.
    »Stell dir vor, Konstanze Haber, ich habe einen freien Willen!«
    Mein Herz machte einen Purzelbaum. Er wusste meinen Namen noch! Der war mir doch nicht … nachgereist? Von Nürnberg bis nach London? Wie hieß er
noch gleich? Kuchenbäcker. Nein. Meister. Stefan Kuchenmeister. Aus Wendelstein.
    Stefan sah mir
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