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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle
Autoren: Hera Lind
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grinste amüsiert über meinen Versuch, aus der Dose zu trinken, ohne auf meinen Blusenschlupp zu kleckern. Oh Mann, dieser intensive Blick!
    »Du hättest mir doch in Nürnberg sagen können, dass du mich kennenlernen willst.«
    »Die gnädige Frau beliebte mir mitzuteilen, dass ein Wiedersehen unmöglich sei, da sie nach London zu ziehen gedenke.« Stefan schmunzelte verschmitzt.
    »Aber … wie hast du mich gefunden?«
    Stefan tippte sich an die Stirn. »Ich bin ja kein Dummkopf.«
    Okay. Er hatte da so seine Quellen gehabt. Ein Gentleman genießt und schweigt. Das gefiel mir. Sehr sogar.
    »Also, ich bin nicht wirklich nach London GEZOGEN«, wiegelte ich ab. »Auch wenn sich das toll anhört. Meine Mutter gibt gerne damit an: ›Meine Tochter studiert wichtig, wichtig Medizin in London‹«, schraubte ich meine Stimme in die Höhe wie Muttern, wenn sie ihr Publikum hat.

    Stefan lehnte an der maroden Schrankwand und amüsierte sich königlich. »Ach nein? Was macht die Dame denn?«
    » Ich mache hier nur ein Praktikum im St. Martha’s Hospital«, gab ich so bescheiden wie möglich zum Besten. »Und ich schwöre, ich war noch nie zuvor in einem Baumarkt. Aber in diesem sogenannten Schwesternzimmer …«, ich machte eine ausladende Handbewegung, die zwölf Quadratmeter nicht gerade luxuriöser englischer Landhausstil-Herrlichkeit mit einschloss, »… halte ich es ohne ein paar Verschönerungsmaßnahmen einfach nicht aus.« Es schüttelte mich.
    »Im Gegensatz dazu siehst du alles andere als renovierungsbedürftig aus«, witzelte Stefan.
    »Sondern?« So langsam begann mir der seltene Vogel Spaß zu machen.
    »Na ja, meine fränkische Mama würde sagen, du siehst aus wie aus dem Ei gepellt …«
    Na, super. Danke. Darauf legte MEINE Mutter nämlich immer größten Wert.
    »Für meine Klamotten nehme ich zur Sicherheit Sagrotan«, gestand ich verlegen, ohne zu wissen, worauf dieser Dialog hinauslaufen sollte.
    »Das dachte ich mir schon.« Stefan stupste mich neckisch an. »Und in der Handtasche hast du bestimmt immer Feuchttücher.«
    So. Das reichte. Nun sollte es aber fürs Erste genug sein mit dem Franken. Danke.

    Meine Mutter hatte mir hundertmal eingetrichtert, dass man einem Mann beim ersten Mal nicht mehr als zehn Minuten schenken soll, da er sich sonst eventuell nicht mehr abschütteln lässt - erst recht nicht bei meinem Aussehen. Wie ich schon in aller Bescheidenheit erwähnte, bin ich nämlich sehr groß und sehr schlank und verfüge über gewisse aristokratische Züge, wie Muttern gerne zufrieden feststellt. Außerdem sah man mir vielleicht das Geld meiner Eltern an.
    Und mal ganz ehrlich: So nett und hilfsbereit der Wendelsteiner Kuchenmeister war, hatte ich doch nach wie vor Mutterns Stimme im Ohr, die nicht müde wurde, mir einzutrichtern, was sie mir schon mein ganzes Leben lang gepredigt hatte: Es gab doch auch noch eine Menge distinguierter Akademiker feinster britischer Abstammung, mit denen ich bei After Eight und Tea am Kamin sitzen könnte. Nur deswegen hatte meine Mutter das Okay für den Englandtrip gegeben. Feiner englischer Adel. Möglichst mit eigener Pferdezucht. Sie dachte bestimmt an so eine Art Prinz William. Rosamunde Pilcher lässt grüßen. Dann würde ich in einer Villa in Cornwall hocken und reiche Ladys zum Tee einladen, als Gattin des Lord Fortescue … oder wie hieß das bei Loriot?
    Ich wollte dem hilfsbereiten Franken zum Abschied die Hand schütteln. Mit Grauen dachte ich daran, gleich wieder allein in dieser Bude zu hocken und die schimmeligen Kacheln an den Wänden anzustarren.
    »Nee, Konstanze«, wehrte Stefan ab und knallte die
leere Bierdose auf die Fensterbank: »So einfach wirst du mich nicht los. Sei mal ehrlich: Du bist doch froh, dass ich hier bin. Allein sein ist doch scheiße.«
    Ich schluckte. So ein schlimmes Wort! »Traust mir wohl gar nichts zu, was?«
    »Ich trau dir eine ganze Menge zu. Genau das gefällt mir ja so an dir.«
    »Ja also, wenn du unbedingt willst …«
    »Komm, Konstanze, jetzt machen wir es dir hier erst mal so richtig schön.«
    Kurz entschlossen überredete er mich, meinen schwarzen R5 zu nehmen und einzukaufen, was noch fehlte, um es hier halbwegs wohnlich zu machen.
    »Rutsch mal.«
    »Wie bitte?«
    »Du bist den Linksverkehr noch net gwöhnt!«
    »Doch! Ich bin schließlich ganz alleine hierhergefahren!«
    »Entspann dich einfach, okay? Jetzt bin ICH da.«
    Verdattert kletterte ich aus dem Auto, rannte in plötzlicher Panik, er
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