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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle
Autoren: Hera Lind
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in der Kirche glänzen wollten - und ich konnte nicht zahlen!
    Nicht das kleinste Kleingeld versteckte sich aus Versehen irgendwo in einer Falte meines Brautkleids. Und auch nicht unter diesem albernen Jungfrauen-Strumpfband, das mir die Verkäuferin nebenan noch ans Bein gebunden hatte. Hätte sie mir mal lieber hundertsechzig Mark ans Bein gebunden! So viel kostete nämlich das Vergnügen hier!

    Der Maestro schaute verdrießlich auf die Uhr.
    »Normalerweise schließen wir jetzt.«
    »Tut mir echt wahnsinnig leid.« Ich trat nervös von einem Bein auf das andere. »Meine Mutter ist sonst immer die Pünktlichkeit in Person.«
    Die Gehilfen hatten schon alles aufgefegt, was man so fegen kann, und auch ihre Lockenwicklermannschaft lag brav in Reih und Glied. Inzwischen gab es nichts mehr aufzuräumen, zurechtzurücken oder zu putzen. Kein Wasserhahn tropfte mehr, und kein Shampöchen machte noch irgendwo ein Seifenbläschen.
    »Tschauchen!«, rief das Meisterlein, als sich seine Mitarbeiter feixend ins Wochenende verdrückten. Augenverdrehend polierte er abschließend den Spiegel, in dem ich mich nun schon seit zwei Stunden ununterbrochen betrachtet hatte. Dass meine Mutter mich ausgerechnet an meinem Hochzeitstag beinahe versetzt hatte! Ein merkwürdiges Kribbeln und Unwohlsein machte sich in mir breit.
    Mir fiel wieder ein, wie Stefan in der Gründerzeitvilla meiner Eltern seinen sogenannten Antrittsbesuch gemacht hatte! Von wegen Blumen, grüß Gott, gnädige Frau, darf ich um die Hand ihrer Tochter …
    Ich hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass bei uns die Speisen und Getränke am Tisch serviert werden. Er aber, bar solcherlei Kenntnis, hatte sich gleich mal eine Banane aus dem Obstkorb gefischt. Noch während er mit meinen Eltern über unsere Zukunft sprach und darüber, womit er mich zu ernähren gedachte,
quetschte er heißhungrig die Banane aus ihrer Schale und saugte den schon etwas flüssigen Inhalt heraus. »Herr Stefan!«, hatte daraufhin meine Mutter entsetzt ausgerufen. »Wie essen Sie denn eine Banane, Herr Stefan? Obstmesser und Gabel liegen hinter dem Korb.«
    Ich hatte mich vor Scham in die chromblinkende Gästetoilette verdrückt und mich erst einmal fremdgeschämt. Ob für Muttern oder für Stefan, kann ich bis heute nicht sagen.
    Das würde eine ausgesprochen nette Tischgesellschaft werden heute.
    »Ja glauben Sie, ich habe heute nichts mehr vor?«
    »Meine Mutter betreibt das Spielwarengeschäft am Jungfernstieg«, versuchte ich Land zu gewinnen. »Da könnten Sie Ihre Rechnung hinschicken.«
    »Ich bin es nicht gewohnt, meine Rechnungen an Spielwarengeschäfte zu schicken«, musste der Meister noch ein bisschen Dampf ablassen. »Aber was bleibt mir schon anderes übrig. Ich drücke ausnahmsweise mal ein Auge zu.«
    Damit schloss er mir gnädigst seine Friseursalontür auf und ließ mich mit eiligen Brautschuh-Schritten davonfliegen.
     
    »Ist mein … Bräutigam schon eingetroffen?«
    Vorbei an livrierten Portiers war ich durch Drehtüren in eine riesige Empfangshalle mit hohen, stuckverzierten Decken, Marmorfußboden und gigantischen, mit Blattgold überzogenen Pfeilern getrippelt. Atemlos
und mit Blasen an den Füßen traf ich in dem Fünf-Sterne-Hotel ein, das meine Eltern uns freundlicherweise für die Hochzeitsnacht gebucht hatten. Aus verständlichen Gründen hatten sie uns nicht das Gästezimmer ihrer Villa angeboten, und auch mein früheres Kinderzimmer kam für unser nächtliches Vorhaben nicht in Betracht. Nein, meine Eltern wollten wohl ein Zeichen setzen, nur dass ich im Moment nicht wusste, ob mir das wirklich behagte. Direkt vor mir lag der hell erleuchtete Bereich mit Blumenschmuck, in dem später unsere Hochzeitsgesellschaft sitzen und Champagner trinken würde. In dem jemand Harfe spielen würde und Kellner in grauen Uniformen mit silbernen Kaffeekannen umhereilen würden. Ich versuchte, mir das Ganze mit den Augen der Wendelsteiner Familie anzuschauen. Würden sie das überhaupt … genießen?
    Da ich bekanntermaßen kein Geld bei mir trug, hatte ich natürlich auch kein Taxi genommen. Selbst das Schwarzfahren mit der U-Bahn wäre in meinem Aufzug nicht wirklich unauffällig gewesen. Also war ich die ganze Strecke gerannt.
    »Meinen Sie den Herrn mit dem alten Mercedes, an dessen Auspuff die vielen Blechdosen hängen?«
    Ach je! Da hatte mein origineller Stefan ja schon wieder mal öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Dass der mal zwei Stündchen still und leise in einem
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