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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle
Autoren: Hera Lind
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mein frisch gewaschenes Haar.
    »Ich wollte nur wissen, was wir mit dieser Haarpracht jetzt anstellen sollen.«
    »Was hätten Sie denn im Angebot?«
    »Ihre Frau Mutter wünscht, dass wir sie ganz spielerisch hochstecken?«
    »Wen? Meine Mutter?«
    »Die Haare!«
    »Tun Sie sich keinen Zwang an!«
    »Ich frage nur wegen der Kosten …«
    »Ach so.« Ich rieb mir verlegen die Wange.
    »Ohne Krönchen käme das preislich günstiger«, lud der Maestro mich auf eine hochinteressante Unterhaltung ein. »Obwohl das für den festlichen Anlass natürlich schöner wäre. Aber wir könnten den Schleier auch ganz spielerisch hier über den Hinterkopf …«
    »Meine Mutter übernimmt die Kosten«, würgte ich ihn ab. »Also tun Sie Ihrem künstlerischen Schaffensdrang keinen Zwang an.«

    Entspannt schloss ich wieder die Augen.
    »Wir müssen uns sputen!«, teilte mir der Meister noch mit. »Denn wir schließen in einer halben Stunde.«
    Tja. Langsam machte sich doch ein leichtes Zittern in mir breit. Ich würde gleich heiraten! Ich würde meinen Stefan heiraten!
    Wo Muttern nur blieb? Sie wollte doch die Omi holen, und das war nun schon eine ganze Weile her!
    Ich fühlte mich ziemlich verlassen, als ich mich so den kreativen Händen des Meisters auslieferte. Wenigstens heute hätte Muttern doch mal eine Weile bei mir wachen können. Aber nein. Sie hatte, wie immer, Wichtigeres zu tun.
    Ach je, das würde ein interessantes Zusammentreffen unserer Familien werden! Sie waren, nun ja, milde ausgedrückt, sehr verschieden! Immerhin kannten sich meine zukünftigen fränkischen Schwiegereltern und meine hanseatischen Eltern noch nicht. Wohlweislich hatten Stefan und ich jedwedes Zusammentreffen im Vorfeld verhindert.
    Stefan hatte seinen Eltern begeistert erzählt, dass ich seine große Liebe sei, und zwar vom ersten Augenblick an. Sie waren damit überfordert. Bestimmt hatten sie sich ein nettes fränkisches Mädchen aus der Nachbarschaft für ihn ausgeguckt, vielleicht ein Metzgerstöchterchen aus dem Nachbardorf oder praktischerweise die Bäckerstochter von nebenan.
    Was er ihnen nun genau über mich erzählt hatte, entzog sich meiner Kenntnis, aber das war mir letztlich auch ziemlich egal. Wir heirateten heute. Ich war
seine große Liebe. Er wollte mit mir sein Leben verbringen.
    Und mir tat es auch gut, dass sich endlich mal jemand hingebungsvoll um mich kümmerte. Ich war ihm wichtig, und das fühlte sich herrlich an. Vieles an ihm imponierte mir. Er war unglaublich zielstrebig, schien keine Minute seines Lebens verschwenden zu wollen und hielt sich nicht mit Oberflächlichkeiten auf. Er war ein fantastischer Zuhörer, war beständig, treu und fürsorglich. Er hatte das, was viele andere Männer nicht haben! Er war nie lauwarm, nie unentschlossen, immer tausendprozentig.
    Wenn ich mich fragte, ob er auch MEINE große Liebe war - und das fragte ich mich natürlich, während ich beim Friseur in den Spiegel sah -, konnte ich meinem Spiegelbild aufrichtig antworten: Mit Stefan und mir, das passt!
    Mit Stefan war auf einmal alles so selbstverständlich. Er war mir nie fremd, er war an meiner Seite, wie ein Bein neben dem anderen steht, und plötzlich hatte mein Leben eine Richtung. Gemeinsam mit ihm eine Familie zu gründen und für eine bessere Welt zu kämpfen - das war es! Das ergab Sinn. Mit Stefan wusste ich, wohin es gehen sollte.
    Als Erstes zum Traualtar. Und dann als Frau Kuchenmeister zum Hochzeitskuchen nach Hamburg-Blankenese auf den Süllberg. Heute noch. Präziser gesagt: jetzt.
    Stefans Lieblingswort.

    Es war fünf nach zwölf, und um eins sollte die Trauung sein. Gern wäre ich nun aus diesem Strähnchen-drapierenden und Löckchen-ins-rechte-Licht-setzenden Etablissement geeilt, meinem Liebsten entgegen, um ihm das Ja-Wort entgegenzuschmettern und damit meine Eltern und seine Eltern und den Rest der Welt für immer zum Schweigen zu bringen.
    Aber das ging nicht. Wir warteten. Auf Muttern.
    Da stand ich nun mit dem säuerlich gestimmten Coiffeur in diesem Luxus-Schuppen, aufgebrezelt bis zum Gehtnichtmehr, umhüllt von Tüll, Spitzen und Schleifen.
    Die Braut, die sich zwar traut, aber ihren Friseur nicht bezahlen kann.
    Muttern! Du wolltest mich doch abholen!
    »Das sieht wirklich toll aus«, sagte ich in dem Versuch, Zeit zu gewinnen.
    »Hab mir auch große Mühe gegeben.«
    »Ja. Das sieht man.«
    Auf meinem Kopf ringelten sich Tausende von unorganisiert wirkenden, aber bis ins Feinste durchdachte Locken, die nun
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