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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling
Autoren: N Vosseler
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von der Sonne, und ihr Herz quoll über vor Liebe. Sie packte ihn am geöffneten Kragen seines Hemdes und zog ihn mit sanfter Gewalt zu sich, presste ihre Lippen auf seine und murmelte: »Das bin ich auch!« Er erwiderte ihren Kuss, und als sie sich voneinander lösten, funkelten seine Augen.
    Er ruckte an seinem Zaumzeug und ließ Shiva ein paar Schritte gehen. »Kommst du?«
    »Einen Moment noch.«
    Ian nickte ihr zu und ritt langsam den Weg zwischen den Feldern hinab. Sie sah ihm hinterher und drehte sich dann um, blickte zu den steilen Wänden des Kanchenjunga hinauf, der wie ein stummer, achtsamer Hüter über dem Frieden und dem Glück des Hauses zu wachen schien, des Hauses, das so voller Leben war.
    Seit er ein sicherer Reiter war, verbrachte Jason nur noch die Unterrichtsstunden in der Schule und manchen Nachmittag bei einem seiner Freunde in der Stadt, ehe er wieder auf seinem Fuchswallach in die Berge hinaufpreschte, um das Abendessen mit seiner Familie nicht zu verpassen. Er war ein guter Schüler, der in seinen Berufswünschen zwischen Ingenieur und Teepflanzer schwankte. Oft saßen er und Mohan Tajid zusammen, übersetzten zusammen die alten Schriften der Hindus und diskutierten über die Philosophie, die dahinterstand. Ian und Jason ritten zusammen aus, gingen auf die Jagd oder maßen ihre Kraft und Geschicklichkeit in spielerischen Kämpfen. Seit dem letzten Frühjahr lebte Marge bei ihnen – sie hatte darauf bestanden, Helena bei der Geburt ihres Kindes beizustehen, war von dieser Reise durch kein noch so schwerwiegendes Argument abzuhalten gewesen und dann ganz geblieben. Inzwischen machte die kleine Emily Ameera die ersten wackeligen Schritte an Marges Hand, und Marge und Shushila übertrafen sich gegenseitig darin, das Kind zu verhätscheln. Shushila und Helena würden nie Freundinnen werden, aber sie hatten sich miteinander arrangiert, konnten manchmal sogar miteinander scherzen und lachen, und Helena überließ ihr gern Emily für ein paar Stunden, wenn sie im Haus oder im Garten zu tun hatte.
    Helena würde nie die Tränen in Ians Augen vergessen, als er das kleine Bündel Mensch zum ersten Mal in den Armen hielt. Emily Ameera, die die dunklen Augen und Haare ihres Vaters und die helle Haut ihrer Mutter hatte, geliebt und verhätschelt vom ganzen Haus, die ihren Namen als Erinnerung an Ians Schwester trug – ihr Kind des Monsuns, jenes Monsuns, in dem Helena und Ian sich verloren und wieder gefunden hatten. Und vielleicht war es tatsächlich die Seele jenes kleinen Mädchens, die sich so eine glücklichere Zeit, einen glücklicheren Ort ausgesucht hatte, dachte Helena manchmal.
    Den Haushalt in World’s End hatten sie aufgelöst, und Celias Porträt hing seither im Salon. Ians Häuser, dasjenige in Kalkutta, das Helena nie gesehen hatte, und das in London, hatte er verkauft. Ihr Platz war hier, in Indien. Die Winter verbrachten sie in Rajputana, auf Surya Mahal oder im Haus Ajit Jais, wo sie in einer kuriosen Mischung aus christlicher Tradition und indischer Buntheit das Weihnachtsfest und sowohl Jasons als auch Ians Geburtstag feierten. Dort waren sie so selbstverständlich die Chands, wie sie die Nevilles in und um Darjeeling waren. Sie hatte Ian davon überzeugen können, das es Zeit war, alte Unstimmigkeiten zu begraben, und in ein paar Wochen, wenn die Ernte eingebracht, der Tee verarbeitet und in Kisten verpackt in Kalkutta verschifft worden war, würde auf Shikhara ein Gartenfest für die anderen Pflanzer und ihre Familien stattfinden, mit dessen Planung und Vorbereitung Helena in den wenigen freien Stunden, die ihr blieben, beschäftigt war.
    Von Richard Carter hatte sie nie wieder gehört, und obwohl sie noch manchmal einen Anflug schlechten Gewissens verspürte, dass sie sich so aus dem Hotelzimmer gestohlen hatte, war sie froh darüber. Ians und Richards Geheimnis war gut bei ihr aufgehoben. Sie hatten die Schatten der Vergangenheit hinter sich gelassen, und es verging kein Tag, an dem Helena nicht dem Schicksal dafür dankte, dass es sie hierher geführt hatte, war der Weg zu diesem Glück auch noch so steinig gewesen. Und wie eine Löwin würde sie für dieses Glück kämpfen, sollte sie es irgendwann einmal bedroht sehen.
    Ab und an sorgte sie sich, ob Emily das Glück haben würden, so frei und unbelastet aufzuwachsen, wie es Ian und ihr nicht vergönnt gewesen war. Doch Helena wusste, dass das Schicksal eigene Wege ging, und auch, dass man es manchmal selbst in die Hand
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