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Hilfe, mein Chef ist ein Affe

Hilfe, mein Chef ist ein Affe

Titel: Hilfe, mein Chef ist ein Affe
Autoren: Patrick van Veen
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unterschlagen werden. In diesem Fall handelt es sich um die Strategie der Informationszensur.
    • Wo ist denn die Mail geblieben? So manche Information wird im Büro ganz bewusst aus dem Verkehr gezogen.
    Auch Affen kennen diese Taktik. Lassen Sie mich von einem Experiment erzählen: Ein Tierpfleger versteckte im Außengehege einer Schimpansengruppe einen Apfel. Ein weibliches Tier beobachtete das deutlich von innen durch die Scheibe. Als die Affen dann ins Freie durften, lief die Schimpansin nicht etwa schnurstracks zu dem Versteck. Erst als sie sich allein und unbeobachtet fühlte, schnappte sie sich den Apfel und verspeiste ihn ganz für sich allein. Wäre sie nämlich sofort zum Versteck gelaufen, hätte sie nicht nur die Information, sondern ganz sicher auch den Apfel mit den anderen Tieren teilen müssen.
    • Affen und Menschen halten Informationen zurück, um sich Vorteile zu verschaffen. Die Taktik ist bei beiden gleichermaßen beliebt.
    Ähnliche Experimente brachten das gleiche Ergebnis: Schimpansen wägen offenkundig ab, ob sie bestimmte Informationen weitergeben oder ganz bewusst zurückhalten. Die Entscheidung hängt zum einen davon ab, welchen Vorteil ihnen die Informationszensur verschafft, und zum anderen von der Position des Affen in der Gruppe. Ein ranghohes männliches oder weibliches Tier wird wahrscheinlich keine Informationen über eine geheime Futterquelle unterschlagen, weil es schlichtweg keiner Bedrohung durch andere ausgesetzt ist.
    Ganz anders im Büro, wo auch die Chefs ganz bewusst Informationen zurückhalten: Wenn sich beispielsweise die Mitarbeiter einer Abteilung bei ihrem Chef über den hohen Arbeitsdruck beklagen, gibt er diese Information sicher lieber in abgewandelter Form an seinen eigenen Vorgesetzten weiter. So wirkt es nicht so, als sei die Unruhe auf sein schlechtes Management zurückzuführen.
    Erfährt ein Boss von der Unternehmensleitung, dass die Firma umstrukturiert werden soll, hält er diese Information eventuell eine Weile zurück. In der Zwischenzeit kann er seine Position stärken oder verhindern, dass wertvolle Mitarbeiter vorzeitig kündigen.
    • Befindet man sich in der Mitte einer Informationskette, lassen sich Informationen besonders leicht »zensieren«.
    Die beschriebenen Beispiele machen es deutlich: Gerade die mittlere Führungsebene ist häufig an der Informationszensur beteiligt, die zur Fehlkommunikation führt. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Sie nimmt eben eine zentrale Stellung in der »Mitte« ein: Wichtige Informationen passieren sie in zwei Richtungen: von oben nach unten und von unten nach oben. Da ist es einfacher zu sagen: »Was machen die da oben eigentlich?«, beziehungsweise: »Wir hören gar nichts von der Belegschaft.« Die Angestellten beklagen sich bei ihren unmittelbar Vorgesetzten, und die oberste Führungsebene kommuniziert vorzugsweise mit der nächstunteren Ebene. Die Information bleibt dann irgendwo in der Mitte stecken, denn die Vertreter des »Mittelbaus« sitzen zwischen zwei Stühlen. Sie müssen die Interessen beider Seiten vertreten. Ihre Zukunft in der Firma kann also davon abhängen, auf welche Weise sie Informationen weiterleiten.
    Natürlich werden auch auf anderen Ebenen eines Unternehmens Informationen zurückgehalten. Jeder Angestellte überprüft Botschaften daraufhin, was sie für ihn bedeuten und welche Risiken und Möglichkeiten sie für seine Position bergen. Erst dann gibt er sie – ganz oder teilweise – weiter.
    • Auch das selektive Streuen von Informationen kann zur Fehlkommunikation führen.
    Übrigens gibt es unter den Kollegen auch so manchen »schlauen« Fuchs, der Informationen selektiv zurückhält oder sogar streut. Denn die Information ist wie das Futter einer Affengruppe: Ihre Weitergabe bringt Vorteile ein. Beispielsweise kann man streng vertrauliche Mitteilungen einem anderen Kollegen zuspielen, der geradezu süchtig nach Information ist (sind wir das nicht alle irgendwie?). So macht man sich bei ihm beliebt, was sich zu einem späteren Zeitpunkt auszahlen kann. Wird eine ausgewählte Personengruppe unter Geheimhaltungsvorbehalt über eine Umstrukturierung, eine Fusion, eine bedeutende Transaktion oder über bevorstehende Entlassungen informiert, weiß bald plötzlich die halbe Firma davon. Die Kollegen in strategischen Positionen geben kleine »Informationshäppchen« weiter, um sich die Gunst der Empfänger zu sichern, die ihrerseits dann ebenso verfahren. Die Strategie lautet:
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