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Hilfe, die Googles kommen!

Hilfe, die Googles kommen!

Titel: Hilfe, die Googles kommen!
Autoren: Tobias Mann
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mehr, ins Netz hinein-, sondern aus dem Netz herauszukommen. Nach meiner Philosophie sind in unserer vernetzten Welt nur zwei Aggregatzustände möglich: Online- beziehungsweise Offline-Sein. Dennoch verliert das Nicht-eingeloggt-Sein immer mehr an Bedeutung. Die Folgen sind hysterisches Multitasking und schleichender Wahnsinn.
    Wer bei der Fahrradtour versucht, via iPad einen neuen Gepäckträger bei eBay zu ersteigern und daher wild zwischen Navi und Auktions-App hin- und herwechselt, muss sich nicht wundern, wenn er kurz darauf nach »Erste Hilfe bei Knochenbrüchen« googelt.
    Selbst das Schreiben dieses Internet-Buches hat empfind lich unter rechnerbedingten Ablenkungen gelitten. Dabei habe ich zwar stets in der stillen Einsamkeit meines Arbeitszimmers getippt, aber auf einem modernen Rechner und über WLAN mit der Welt verbunden. Rückblickend muss ich sagen, dass ich wahrscheinlich konzentrierter hätte arbeiten können, wenn ich das Buch mit einer Schreibmaschine auf dem Rücksitz ei nes Tuk-Tuks in der Innenstadt von Bangkok geschrieben hätte.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als technische Hilfsmittel zu verwenden, um mich in einen fokussierten Zustand zu versetzen. So habe ich sehr häufig ein Computerprogramm mit dem bezeichnenden Namen »Concentrate« benutzt. Diese Software schließt nicht nur alle Programme, die mich von der Erstellung des Buches ablenken könnten, sondern schneidet mich obendrein ganz brutal vom Internet ab. Ich sabotiere also absichtlich meinen Computer und gleiche ihn funktional der Schreibmaschine im Tuk-Tuk an – das ist, als würden Sie Ihren Fernseher so einstellen, dass man nur noch Arte und N24 empfangen kann. 169
    Erschreckend war für mich, wie oft ich dennoch wie in Trance meinen Facebook-Account öffnen wollte und von Concentrate dafür mit der Meldung »Internet gesperrt« gerüffelt wurde. Ich habe mich fast so gefühlt, als hätte mich meine Mutter an einem sonnigen Nachmittag beim Donkey-Kong-Spielen erwischt. Das warf für mich die Frage auf, ob ich noch meinen Rechner oder nicht doch mittlerweile mein Rechner mich kontrolliert.
    Um noch mehr in meine Gedanken abzutauchen und mir den Computer wieder untertan zu machen, habe ich obendrein exzessiv den Vollbildmodus meines Schreibprogrammes genutzt, bei dem alle irrelevanten Bildschirmanzeigen und Fenster eliminiert werden und nur noch Buchstaben auf einer hellen Fläche zu sehen sind – eine Entschlackungskur für die Augen und Wellness fürs Gehirn.
    Ein Computer kann vielleicht alles auf einmal. Wenn wir User aber alles auf einmal nutzen, können wir auf einmal nichts mehr. Auch mit einem Schweizer Messer, bei dem alle Werkzeuge und Klingen gleichzeitig ausgeklappt sind, lässt sich noch nicht einmal eine Weinflasche öffnen – zumindest nicht, ohne sich die Finger abzuschneiden. Blut und Wein ist keine gute Kombination – es sei denn, Sie sind Jesus. 170
    Eine der Weisheiten, die ich aus meinen Erfahrungen als Autor im digitalen Zeitalter ziehe, lässt sich ganz simpel so zusammenfassen: Der Mut, offline zu gehen, wird belohnt!
    Es wird in der Arbeitswelt oft über die Work-Life-Balance philosophiert. Viel wichtiger ist in meinen Augen die »Online-Offline-Balance«. Wer das Internet nicht nutzt, fährt quasi mit dem Dreirad auf der Autobahn, was vielleicht ganz lustig aussieht, aber auf Dauer nicht gesund ist. Wer hingegen nur noch online ist, rast irgendwann mit dem Porsche in den Gegenverkehr und landet neben dem Dreiradfahrer auf der Intensivstation. Also lieber öfter mal das Auto stehen lassen und laufen. Klingt wie eine Binsenweisheit – gelingt mir persönlich aber nur bedingt.
    Das verhinderte Kettensägenmassaker
    Internetkritiker behaupten in der Regel, die Möglichkeiten des Netzes und der digitalisierten Welt würden das Hirn der Menschen zerlöchern und zerfleddern und unsere Gesellschaft dadurch mindestens in Höllenkreis fünf oder sechs katapultie ren. Sie verweisen zuweilen auch auf die vielen Denkaufgaben, die dem Rechner übertragen werden, was das menschliche Gedächtnis fortan verkümmern lasse. Ich glaube, dass das Gegenteil der Fall ist.
    Nehmen Sie einfach mal die Masse an Informationen, die Sie auch heute noch ganz analog in den Windungen Ihres Denkapparates abspeichern müssen. So verlangt zum Beispiel jede Website, jedes sensible Programm, jeder Internetdienst, dass wir uns Nutzernamen und Passwort merken. Jedes digitale Speichern dieser Daten stellt ein Sicherheitsrisiko dar, also
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