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Hilfe, die Googles kommen!

Hilfe, die Googles kommen!

Titel: Hilfe, die Googles kommen!
Autoren: Tobias Mann
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Mann und das Netz«? Damit wäre die Menschheit heute um ein paar Werke der Weltliteratur ärmer, aber Hemingway hätte so, fernab des Hypes, möglicherweise seine manische Depression in den Griff bekommen. Kein Ruhm, keine Knarre, kein Bumms! Gut für Hemingway – kulturell gesehen eine Katas­trophe.
    Aber vielleicht liege ich mit diesem Gedankenspiel auch völlig falsch. Ein digital gerüsteter Hemingway hätte seine ­Genialität sicher den veränderten Umständen entsprechend genutzt und in Form und Inhalt völlig neue Wege beschritten.
    Herausgekommen wäre dabei so etwas wie Hemingway 2.0, also ein Genie mit Update. Vielleicht hätte er sich einfach nicht so schnell von »weiterführenden Links« verführen lassen wie ich. Möglicherweise wäre er im Gegensatz zu mir imstande gewesen, seinen Gedanken auf geradem Weg zu folgen und sich nicht auf den digitalen Kreuzungen und Nebenstraßen der Datenautobahn zu verfahren. Das hätte sich dann zwar früher oder später wieder negativ auf seine Schädeldecke, dafür aber positiv auf die Kulturgeschichte ausgewirkt.
    Mein Fazit: Die Historie wäre trotz grundlegender Änderungen der Rahmenbedingungen ganz ähnlich verlaufen, weil der Mensch sich zwangsläufig anpasst, verändert und optimiert. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in zwei, drei Genera­tionen wieder so weit sind, dass ein neuer Hemingway sich seinen Weg durch Netzwerkstrukturen, Informationstechnologien und cloud-basierte Datenspeicherungsverfahren bahnen wird. Vorerst müssen Sie allerdings mit halbgaren Büchern wie dem vorliegenden vorliebnehmen und hoffen, dass ich recht behalte.
    Es wird Zeit, endlich einzusehen, dass menschliche Evolution und Internet nicht mehr voneinander zu trennen sind. Das Netz hat die Welt und die Welt das Netz verändert. Aber wie? Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Wo stehen wir im Moment? Und kann uns vielleicht Google Maps die Antworten darauf geben? Überhaupt: Ist Google eher der Darth Vader oder der Obi-Wan des Netzes? Oder vielleicht doch nur Boba Fett? Begeben wir uns nicht sogar in Lebensgefahr, wenn wir gebannt auf die Fußgänger-Navigation des Smartphones starren und aufgrund eines Softwarefehlers per pedes auf der Einfädelspur vom Autobahnkreuz Offenbach landen? Kann man Juchtenkäfer 1 per E-Mail verschicken, und ist das noch artgerecht?
    Das sind die Fragen, denen ich mich im Folgenden gnadenlos subjektiv und bewusst unausgewogen widmen werde. Nebenbei versuche ich zu klären, ob Onlineshopping ein erstes Vorzeichen der Apokalypse ist, warum sich Politiker im Internet ähnlich elegant bewegen wie Karnevalisten nach der Prunk­sitzung, ob Jesus heutzutage die Bergpredigt twittern würde, und warum ein Shitstorm niemals in der Wettervorhersage auftauchen wird.
    Ich werde Ihnen an vielen Stellen beweisen, dass die zahlreichen »neuen« Möglichkeiten, die uns Technik und Internet bieten, im Grunde gar nicht so neu sind, sondern nur alter Wein in neuen Schläuchen, Updates für die teilweise jahrtausendealte Software des täglichen Lebens. Dabei bin ich zwar kein ausgewiesener Netzexperte 2 , sondern eher ein Hofnarr im Königreich des Digitalen. Im Gegensatz zum distanzierten Wissenschaftler stecke ich aber Hals über Kopf drin und kämpfe tagtäglich mit den Errungenschaften der Elektronik- und Com­puterindustrie.
    So ist dieser Text eine Art Kriegsberichterstattung von der Front zwischen analoger und digitaler Welt, die mir zuweilen erschreckende Selbsterkenntnisse geliefert hat. Ich hoffe, auch Sie finden sich hier wieder und können nach der Lektüre zumindest befreit darüber lachen, wenn Sie sich dabei ertappen, mit Ihrem Partner einen Videochat zwischen Küche und Bad zu starten oder das Gassigehen mit Ihrem Hund beim Lokalisierungsdienst foursquare.com zu dokumentieren.
    Allen Wikipedia-Klugscheißern und Recherche-Pedanten noch ein freundlicher Hinweis zum Schluss: Schmöker wie diese, welche sich mit aktuellen Entwicklungen, gesellschaft­lichen Strömungen und Alltagsphänomenen auseinander­set­zen, büßen schon im Augenblick der Drucklegung an Aktua­lität ein. Auch Papier ist heute nicht mehr so geduldig wie früher. Hieß es vor ein paar Jahren noch »Nichts ist älter als die Zeitung von gestern«, müsste es heute heißen: »Nichts ist älter als der Online-Artikel von vor fünf Minuten.« Der Autor empfindet es allerdings als evolutionären Schritt nach vorne, lieber Momentaufnahmen akkurat und intensiv zu analysieren, als mit
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