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Hilfe, die Googles kommen!

Hilfe, die Googles kommen!

Titel: Hilfe, die Googles kommen!
Autoren: Tobias Mann
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schludrigen Thesen der Aktualität hinterherzu­he­cheln. 3
    Bevor es jetzt ans Eingemachte geht, muss ich mir allerdings auf YouTube doch noch schnell den Vorspann von MacGyver anschauen, weil ich die ganze Zeit schon überlege, wie die Melodie ging.
    Ach … und wie hieß noch mal der Hauptdarsteller?

    # 1 Das possierliche Geschöpf drohte einst, allein mit seiner gefährdeten Existenz das Bauvorhaben Stuttgart 21 zu stoppen, und das gänzlich ohne Sitzblockaden und Protestschilder – ein Wunder der Natur.
    # 2 Wenngleich es für deutsche Talkshows oft schon reicht, den Unterschied ­zwischen DSL und DFB zu kennen, um als Internetexperte bezeichnet zu wer­den.
    # 3 Die hochtrabende Formulierung dieses Satzes ist natürlich nur ein billiger Trick, um mich vorab für veralteten Käse zu rechtfertigen. Kleiner Tipp: Selbst wenn Informationen so alt sein sollten, dass man als Leser gar nicht mehr weiß, was gemeint ist, kann man es immer noch googeln.

Ursprünglich war die Keimzelle allen öffentlichen Lebens im Netz die persönliche Website. Egal ob professionell oder privat – wer etwas auf sich hielt, wusste in den Pioniertagen des »Volks-Webs« 30 auf Partys und Stehempfängen mit der Information zu beeindrucken, eine »Hohmpääätsch« zu besitzen. Nicht selten wurde das vom sichtbar beeindruckten Gegenüber mit »Wir kriegen nächste Woche unser Internet. Dann schau ich mal drauf« quittiert.
    Auf den privaten Homepages prangten in der Regel Begrüßungen wie »Willkommen auf der Webseite der Familie Holleschowsky!«, links und rechts davon springende Smileys, darunter ein Foto, das aufgrund eines Fehlers nicht vollständig geladen werden konnte und deswegen nur den Haaransatz des Familien(ober)hauptes enthüllte. Auf der linken Seite versprach ein Navigationsmenü vollmundig weitere Information zu jedem einzelnen Holleschowsky – von Klein-Gregor bis zu Opa Hans-Dieter. Ein Versprechen, das in der Regel nicht gehalten wurde, da den surfenden Gast nach dem Klick auf die jeweiligen Namen eine weitgehend leere Website erwartete, auf der lediglich das animierte Bild eines kleinen Comic-Bauarbeiters prangte, der mit seinem Pressluftbohrer in die steinernen Buchstaben »Under Construction« hämmerte, was sinngemäß »im Aufbau befindlich« bedeutet.
    Es war die Zeit eines Paradigmenwechsels: Hieß es bis dahin noch, ein Mann solle in seinem Leben einen Baum pflanzen, einen Sohn zeugen und ein Haus bauen, wurde daraus eine Homepage anlegen, einen Link setzen und ein Bild hochladen. 31
    Als die erste Faszination jedoch der Erkenntnis wich, seinen jährlich zehn Website-Besuchern keine weltumstürzenden Neu­ig ­­keiten mehr bieten zu können, nahmen all die Holleschowskys nach und nach von ihren Internetpublikationen Abstand. Ich bin mir aber sicher, dass man in den hintersten Ecken des Internets immer noch manch verlassene »Hohmpääätsch« oder HTML -Ruine findet, auf der einsam und von der Welt vergessen ein Comic-Bauarbeiter seinem hämmernden Tagwerk nachgeht.
    Wer tatsächlich etwas zu sagen hat, legt statt einer Homepage mittlerweile ein Weblog, kurz Blog, an, und wird so Teil der Internetrevolution, die seither als Web 2.0, das Mitmach-Web, bezeichnet wird. Weil durch die Möglichkeiten des Bloggens prinzipiell jeder Mensch Publizist werden kann, treiben heute diese individuellen Internetzeitungen, -tagebücher oder -gedankensammlungen der professionellen Journaille wahlweise Angstschweiß auf die Stirn oder Lachtränen in die Augen. Es gibt Blogs über Schnittblumen, Krustentiere, Friedhofsfotografie, tantrischen Sex, und es gibt sogar Blogs über Blogs.
    Das große Problem bei Blogs ist, dass es nicht jedem Blogger gegeben ist, regelmäßig längere Bloggereien in sein Blog zu bloggen. Statt nun aus lauter Verzweiflung hämmernde Comicfiguren 32 zu bloggen, entwickelte sich der Gedanke des Mikrobloggens. Bitte bleiben Sie bei mir, lieber Leser. Es wird gleich wieder alles klarer. Beim Mikrobloggen sendet man kurze und noch kürzere Texte ins Netz und bringt so in SMS -Manier seine Gedanken zum Ausdruck. Haben Sie noch nie von gehört? Wahrscheinlich doch – allerdings unter dem Namen »Twitter«.
    Zwitschern 2.0
    Twitter (englisch für Zwitschern) bietet also die Möglichkeit, 140 mehr oder weniger sinnvolle Zeichen in die Welt hinaus zu senden. Damit ist man dann Twitterer. So wie die Vögel zwitschern und man sich frei entscheiden kann, ob man lauscht oder nicht, kann man das Gezwitscher
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