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Hibiskussommer

Titel: Hibiskussommer
Autoren: Alyson Noël , Tanja Ohlsen
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schicken, an dem es Pilger, Tauben und Dorfbewohner gibt, die ihre Sachen mitten auf dem Dorfplatz von Hand waschen.
    Und ich glaube, ich muss nicht sagen, dass es ja wohl kaum noch schlimmer kommen kann.
    Ganz zu schweigen davon, dass es überhaupt keinen Grund gibt, mich dorthin zu schicken. Schließlich habe ich nichts angestellt, nichts Schlimmes oder Illegales getan, und trotzdem bin ich es, die bestraft wird.
    Ich meine, nur weil meine Eltern sich entschlossen haben, ihr Leben zu ruinieren und sich scheiden zu lassen, heißt das doch noch lange nicht, dass sie auch MEIN Leben ruinieren müssen, oder? Reicht es denn nicht, dass sie mir die Möglichkeit nehmen, in einer intakten Familie aufzuwachsen, sowie die Aussicht auf Hilfe und Unterstützung von beiden Eltern und dadurch Stabilität und Sicherheit?
    MUSSTEN SIE MIR DENN AUCH NOCH MEINEN GANZEN VERDAMMTEN SOMMER RUINIEREN ????
    Offensichtlich ja.
    Denn der Ansicht der Psychiaterin/Lebensberaterin meiner Mutter zufolge sollte ich »von allen negativen Einflüssen ferngehalten« und vor »unangenehmen Themen, die im Laufe dieser turbulenten Zeit aufkommen könnten, geschützt« werden, damit meine Eltern »ihre Probleme unter sich ausmachen« könnten und ich »in einen friedlichen Haushalt« zurückkehren könnte. Auf dem Papier hört sich das ja alles schön und gut an, aber die Sache ist – woher weiß sie, wohin ich zurückkehre? Und wie will sie garantieren, dass es FRIEDLICH sein wird?
    Noch wichtiger: WERDE ICH MEIN EIGENES LEBEN ÜBERHAUPT NOCH WIEDERERKENNEN, WENN ICH ENDLICH ZURÜCKKOMMEN DARF ?
    Oder haben sie es bis dahin so verstümmelt, dass bei meiner Rückkehr nichts mehr auch nur halbwegs Vertrautes davon übrig ist?
    Denn als ich letzte Nacht von Amanda nach Hause gekommen bin – fast zwei Stunden zu spät – und mich auf richtigen Ärger gefasst gemacht habe, da waren meine Eltern so in eine ihrer endlosen Streitereien vertieft, dass sie nicht mal bemerkt haben, wie ich zurückgekommen bin, geschweige denn, dass ich zu spät war. Wahrscheinlich ist ihnen nicht mal aufgefallen, dass ich überhaupt weg war – so schlimm ist es mittlerweile.
    Und gerade als ich mich am Gästezimmer unten vorbeischleichen wollte (wo mein Dad seit drei Monaten kampiert) und die Treppe hinauf nach oben in mein Zimmer gehen wollte, bin ich komplett erstarrt, mir sind die Augen fast rausgefallen und die Kinnlade ist mir bis auf den Boden runtergeklappt, als ich ganz deutlich die Worte – das Haus verkaufen – umziehen  – und – Cyber School gehört habe.
    Genau in dieser Reihenfolge.
    Und deshalb kann ich jetzt nur noch an Folgendes denken:
    1.    Wenn sie sich schon so streiten, wenn ich nur ein paar Stunden weg bin, wie schlimm wird es dann, wenn ich drei Monate unterwegs bin? So, dass sie es in die Fernsehnachrichten schaffen? Sondersendungsreif? Ich wünschte, ich würde nur Witze machen, aber leider ist es gar nicht witzig.
    2.    Umziehen? Wer zieht hier um? Und vor allem: wohin?
    3.    Was zum Teufel ist Cyber School? Und was hat das mit mir zu tun?
    4.    Wenn sie sich wirklich so viele Sorgen um meinen »Seelenfrieden« machen, warum verbannen sie mich dann in ein Niemandsland – verfrachten mich einfach zu einer Tante, die sie bis vor zwei Wochen noch beide nur die »verrückte Tante Tally« genannt haben?
    Ich meine es ernst. Genau so haben sie sie genannt und dabei haben sie nicht mal gelacht. Sie haben so Sachen gesagt wie: »Deine verrückte Tante Tally hat dir eine Geburtstagskarte geschickt«, und dann ließ mein Dad einen blauen Luftpostbrief auf meinen Schreibtisch fallen. Oder meine Mutter sagte: »Deine verrückte Tante Tally hat dir diese Ohrringe gemacht«, und klimperte mit etwas Perlenbesetztem vor meiner Nase.
    Und nun, nur weil sie beschlossen haben, sich gegenseitig nicht mehr leiden und ohne Geschrei nicht mehr miteinander zu kommunizieren zu können, ist die verrückte Tante Tally auf einmal die perfekte Anstandsdame für den Sommer?
    SOLL DAS EIN WITZ SEIN?
    Und WIE soll ich bitte schön überleben – und zwar EINEN GANZEN SOMMER  – ohne Auto, ohne Handy, ohne Smartphone, Sephora und Abercrombie, ohne Partys, ohne Freunde und ohne Internetzugang???
    Ganz zu schweigen davon, dass dies mein schönster Sommer werden sollte, der, auf den ich schon immer hingearbeitet habe. Denn nach Jahren einer unscheinbaren Existenz, in denen ich nur ein unbekanntes Gesicht unter vielen war, bin ich endlich in den
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