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Heyne Galaxy 10

Heyne Galaxy 10

Titel: Heyne Galaxy 10
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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war jetzt dort draußen bei ihrem Jungen, duckte sich mit ihm hinter einen Busch.
    Sie haßte das Versteckspiel.
    Aber sie brauchte nicht mehr zu spielen, sondern konnte sich am frühen Abend in ihrem Schaukelstuhl niederlassen. Sie fragte sich, was ihre Mutter im Heim wohl gerade täte. Vermutlich strickte sie auch. »Sardinenspiel«, dachte sie. »Das war noch ein Spiel.« Man war dabei nicht allein. Ein anderes Kind, eine gute Freundin, durfte sich zusammen mit einem verstecken. Man konnte sich flach in einer Vertiefung ausstrecken und hatte den warmen Körper der Freundin dicht neben sich, hielt sich gegenseitig an der Hand. Beruhigend. Wenn dann noch ein dritter das Versteck entdeckte, lag man wie in einer Sardinenbüchse zusammen. Man war nicht allein, wie man es beim Versteckspiel war.
    Michael hatte inzwischen fast das Ende des Pfades erreicht, ohne eine Spur von den anderen zu entdecken. Sie mußten hier irgendwo im Wald sein, zwischen dem Pfad und der alten Steinmauer. Jenseits der Mauer verlief die dicht befahrene Schnellstraße, und die durfte nicht überquert werden. Einmal hatte sich sein Hund hinausgewagt; und später hatten sie seinen Körper am Straßenrand gefunden. Hunderte von Wagen rasten vorbei, ein unendlicher Strom, und die Fahrer sahen nicht links oder rechts. Er duckte sich seitlich ins Unterholz und hörte plötzlich schnelle Schritte hinter sich.
    Hastig wandte er sich um und sah Peter, der, so schnell er konnte, zum Freischlag rannte. Michael konnte ihn unmöglich abfangen; trotzdem setzten sich seine Füße unwillkürlich in Bewegung.
    »Frei!« japste Peter und warf sich neben dem Baum zu Boden, ausgepumpt und glücklich; vorsichtshalber ruhte seine Hand am Stamm der alten Eiche. Er war frei und wollte keinen Zweifel daran aufkommen lassen.
    Auf der Veranda stieß Michaels Mutter einen Seufzer aus und freute sich für Peters Mutter. Er war ein so gutaussehender und lebendiger Junge, auf den jede Mutter stolz sein konnte. Er war in der Schule vielleicht nicht der Klügste, aber es gab ja auch andere Dinge.
    Sie konnte hören, wie ihr Ältester hinter ihr in seinen Büchern blätterte.
    Sie schüttelte nachdenklich den Kopf. Von ihren vier Jungen war nur ein einziger Student geworden, was eine sichere Zukunft für ihn bedeutete. Er hatte Verständnis für all die Formeln und komplizierten Theorien, und oft hatten die Lehrer seine Intelligenz gelobt. »Wenigstens brauche ich mir um ihn keine Sorgen zu machen. Nur Michael… Bitte, Michael!« flüsterte sie, »du mußt einen finden, ehe es ganz dunkel wird!«
    Er stand unschlüssig neben dem Baum und blickte auf seinen Freund hinab. Einer war frei.
    Damit blieben drei.
    Er beschloß, einen Kreis zu schlagen, ohne sich jedoch zu weit vom Abschlag zu entfernen. Das Sehen wurde immer schwieriger. Die Bäume waren nur noch unbestimmte Umrisse, schwarz, grau und weiß.
    Sie fragte sich, ob auch ihre Mutter hier gesessen und sich Sorgen um sie gemacht hatte. »Wir machen uns heute so viele Gedanken wegen der älteren Generation«, dachte sie. Als sie noch jünger gewesen war, hatte es große Auseinandersetzungen darum gegeben. Das Land hatte sich besorgt gefragt, was aus den Menschen über Fünfzig werden sollte, aus jenem Teil der Bevölkerung, der immer mehr Raum einzunehmen und dabei immer unproduktiver zu werden schien. Damals war die Welt eine Welt der jungen Generation gewesen. Ihr Vater hatte zu den Wissenschaftlern gehört, die schließlich eine Lösung fanden.
    Wenigstens war für ihren Ältesten gesorgt. Er trat in die Fußstapfen seines Großvaters. Er hatte eines jener mathematischen Gehirne, die vom Großvater schließlich auf den Enkel vererbt werden.
    Michael umkreiste den Baum ein zweitesmal, wobei er sich diesmal weiter in den Wald vorwagte. Er glaubte Jims roten Pullover gesehen zu haben.
    Aber Jim war zwölf und kannte das Spiel. Hinter einigen zerbrochenen Ästen kam er hervor, leichtfüßig sprang er über das Hindernis und erreichte den Baum wenige Sekunden vor Michael.
    »Frei!« keuchte er und legte die Hand an die Rinde. Michael sank atemlos neben ihm zu Boden.
    Zu spät.
    Nur noch zwei. Die Marble-Zwillinge. Sie wußten, daß ihre Mutter sie im Heim erwartete. Jeder hier hatte Verwandte im Heim. Eine Mutter oder einen Vater, manchmal sogar einen Onkel. Sie dachte an die alten Leute, die jetzt warm und sicher im Heim saßen und von der Liebe ihrer Kinder zehrten.
    Warum nicht die Alten? Warum ließ man nicht die Alten
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