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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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müssen, trotz des Sturmes und der Dunkelheit. Doch wenn, dann nahmen sie keinerlei Notiz von mir. Auf ihren Gesichtern lag ein leerer, erschreckender Ausdruck und ihre Bewegungen erschienen mir irgendwie starr, fast puppenhaft.
    Ich wartete gute zwei oder drei Minuten, nachdem das letzte Kind an meinem Versteck vorübergegangen war, ehe ich es wagte, ihm zu folgen. Das Risiko, dabei einem Nachzügler aufzufallen, musste ich in Kauf nehmen, wollte ich den Anschluss nicht verlieren.
    Ich betrat die alte Kirche auf dem gleichen Wege wie am vergangenen Abend, als ich mich hier mit Alyssa getroffen hatte, und stellte fest, dass ihr Inneres leer war. Die Glocke ertönte nicht noch einmal, ein weiterer Beweis, dass tatsächlich alle, die sie gerufen hatte, nunmehr zusammengekommen waren. Offensichtlich hatten sie die Kirche nur als Versammlungsort benutzt und waren weitergegangen, aber ich verschwendete noch einige Sekunden darauf, zum Glockenturm zu gehen und in den schwarzen Schacht hinaufzuspähen. Ich war nicht ganz sicher, meinte aber, das Schimmern von nassem Metall in der Dunkelheit über mir zu gewahren. Offensichtlich hing die Glocke noch an ihrem Platz. Aber wer hatte sie angeschlagen?
    Ich verschob die Antwort auf diese Frage auf später, verließ die Kirche und ging, meinem Instinkt folgend, in nördlicher Richtung weiter. Ich hatte eine ziemlich sichere Ahnung, wo das Ziel der Kinder von Brandersgate lag.
    Ich behielt Recht. Ich erreichte das Ende der Teerstraße und als ich den sanften Hang zur Steilküste hinaufsah, erblickte ich die Umrisse von annähernd zwei Dutzend kleinen, schlanken Gestalten, die im Gänsemarsch und beinahe im Gleichschritt die Düne überwanden. Sie bewegten sich auf die Treppe zu, die an der Steilküste herabführte. Aber warum? Es konnte sich unmöglich um eine Wiederholung der furchtbaren Prozession vom vergangenen Abend handeln, denn der Strand am unteren Ende der Treppe stand ja jetzt noch unter Wasser. Mit einem Male bedauerte ich es sehr, nicht auf die Stimme meiner Vernunft gehört und Cohen geweckt zu haben, damit er mich begleitete und mit eigenen Augen sah, was hier vorging. Aber es war zu spät, verpassten Gelegenheiten nachzujammern. In gehörigem Abstand und jederzeit darauf gefasst, mich blitzschnell irgendwo in Deckung zu werfen, folgte ich den Kindern.
    Sie erreichten die Treppe, ganz wie ich erwartet hatte, aber sie machten keine Anstalten, sie hinunter zu gehen, sondern bauten sich im Halbkreis darum auf.
    Zeit verging. Nichts geschah. Ich verharrte reglos in der Dunkelheit, lauschte und starrte gebannt zu den knapp zwei Dutzend kindlicher Gestalten über der Steilküste hinüber, an denen der Wind immer heftiger zerrte und rüttelte, als versuche er mit unsichtbaren Fäusten, sie in die Tiefe zu reißen. Dann …
    Wie in der vergangenen Nacht spürte ich es viel mehr, als ich es hörte oder mit irgendeinem anderen der normalen menschlichen Sinne wahrnahm. Irgendetwas draußen auf dem Meer regte sich. Joshua – ich hatte ihn nicht gesehen, war aber sicher, dass er sich unter den Kindern befand – hatte diesmal keinen Ruf ausgestoßen und doch war es das gleiche Gefühl wie am vergangenen Abend, sogar stärker diesmal. Etwas kam.
    Mein Herz begann so laut zu pochen, dass ich für einen Moment gegen den albernen Gedanken ankämpfen musste, dass sie es dort drüben hören könnten. Ich starrte so angestrengt zur Küste hinüber, dass meine Augen zu schmerzen begannen.
    Aber es vergingen noch einmal Minuten, bevor sich die Gestalten der Kinder wieder bewegten. Der Halbkreis, den sie vor der hölzernen Treppe bildeten, wurde größer und ich sah den Kopf und die Schultern eines Mannes über der Küste erscheinen. Obgleich der Sturm dort draußen mit solcher Kraft tobte, dass es mir fast unmöglich erschien, dass sich irgendein Mensch auf der schmalen Treppe hätte halten können, kam er ganz ruhig und hoch aufgerichtet die Stufen hinauf, machte einen Schritt auf die Küste hoch und stand – war es Zufall? – schließlich genau im Schnittpunkt des Halbkreises, den Joshua und die anderen bildeten.
    In diesem Moment riss die Wolkendecke auf. Ein schimmernder Streifen aus Mondlicht fiel auf die Gestalt, so genau und gezielt wie ein Scheinwerferstrahl, der Umrisse aus der Nacht riss und von einem flachen Schatten zu einem Körper werden ließ, und um ein Haar hätte ich aufgeschrien!
    Es war Hennessey. Und zugleich auch nicht. Seine Gestalt war auf unmöglich in Worte zu
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