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Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Titel: Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gestalt. Sie kam mir wie eine jener umrisslosen Bestien vor, die uns manchmal in Fieberträumen heimsuchen: groß, bizarr verzerrt und mit stampfenden, plumpen Elefantenbeinen, einem albtraumhaften Kopf und peitschenden Tentakeln anstelle von Armen, dann zerfloss sie und wurde für Sekunden zu einer Karikatur menschlichen Lebens, ein Ding mit noch immer zu vielen Armen und peitschenden dünnen Fühlern.
    Dann verwandelte sie sich abermals, und ich erkannte sie.
    »Priscylla!«
    Es war Priscylla – und auch wieder nicht, denn sie hatte sich auf fürchterliche Weise verändert!
    Sie trug ein weißes, seidenes Nachthemd, aber der Stoff war mit Blut besudelt. Ihr Gesicht flammte und in ihren Augen brannte ein unheimliches, verzehrendes Feuer.
    Langsam, mit stockenden, taumelnden Schritten, als hätte sie kaum mehr die Kraft, sich auf den Beinen zu halten, kam sie auf mich zu und streckte dabei die Arme aus. Ihre Hände waren verkrümmt wie Krallen. Die Lippen öffneten sich wie zu einem Schrei, aber alles, was sie hervorbekam, war ein grässliches Keuchen. Ihre Fingernägel wuchsen, wurden zu Dolchen, und ihre Arme breiteten sich zu einer tödlichen Umarmung aus.
    Etwas traf meine Schulter und schleuderte mich zu Boden. Priscyllas Hände schlossen sich mit einem sonderbaren, metallisch-schnappenden Laut genau dort, wo meine Kehle gewesen wäre.
    Und trotzdem sprang ich, wie von einem fremden Willen beseelt, sofort wieder auf die Füße und versuchte zu Priscylla zu gelangen.
    Rowlf sprang mich ein zweites Mal an und riss mich zurück – und diesmal spürte ich die ganze ungeheure Kraft seiner gewaltigen Hände. Ich versuchte seinen Griff zu sprengen, aber seine Pranken hielten mich wie Fesseln. Priscylla kreischte. Ihre Hände vollführten sinnlose, wirbelnde Bewegungen.
    »Das ist nicht Priscylla, Robert!«, brüllte Howard. »Denk an Arkham! Es ist ein Shoggote! Sie versuchen es wieder!«
    Priscyllas Augen loderten.
    Und dann begann sie sich zu verändern, langsam, aber auf fürchterliche Weise. Ihre Lippen zogen sich zu einem gemeinen, wölfischen Grinsen zurück und ich sah, dass ihre Zähne plötzlich lang und spitz und nach hinten gebogen waren.
    Ein heller, knisternder Laut erscholl. Irgendetwas Unsichtbares huschte an mir vorüber und traf Rowlfs Körper wie ein Hammerschlag. Seine Hände lösten sich von meinen Schultern. Mit einem Seufzen sank er hinterher und blieb reglos liegen. Auch Howard stürzte getroffen zu Boden.
    Aber sein Schrei hatte den Bann gebrochen und plötzlich wusste ich, welchem Wesen ich wirklich gegenüberstand – einem Shoggoten. Einem Shoggoten wie dem, der mich schon einmal in Priscyllas Gestalt angegriffen hatte, in der Gestalt des Menschen, den ich am meisten liebte und dessen Anblick mich am meisten treffen musste. Und endlich sah ich ihn, wie er wirklich war: eine furchtbare Persiflage Priscyllas; größer, knochiger, mit zerfurchter brauner Pergamenthaut, übersät von Warzen und Pusteln, aus denen schwarze Borsten wuchsen. Die Hände waren gewaltige Fänge, die mich zerreißen würden, und in den Augen flammte eine Bosheit, die nicht von dieser Welt war.
    »Du wirst sterben, Craven«, sagte sie. Ihre Stimme hatte jede Ähnlichkeit mit der eines Menschen verloren – ein heiseres Krächzen, als hätte sie eine Kehle aus Stein, und für einen Moment glaubte ich durch ihren Körper hindurch einen zweiten, aufgedunsenen Leib zu erkennen, das Bild des Shoggoten, wie er wirklich aussah: gigantisch, mit stampfenden Säulenbeinen, Augen wie Blut und peitschenden, schleimigen Tentakeln, übersät mit Dornen und Saugnäpfen. Dann verschmolzen die beiden Bilder zu einem neuen, Grauen erregenden Wesen, einem Ding, das jeder Beschreibung spottete.
    »Du wirst sterben, Craven«, keuchte das Ding. »Du bist der letzte Erbe des Hexers und du wirst sterben und den Weg freimachen für die wahren Herren. Ich töte dich!« Das Ding kicherte. Die Schrunden und Runzeln in seiner Haut wurden tiefer und plötzlich zuckte etwas wie ein schwarzer, öliger Nervenfaden über sein Gesicht, zog eine glitzernde Schleimspur über die Wange und verschwand in seinem Mund.
    Mit einem entsetzten Keuchen wich ich vor der näherkommenden Albtraumgestalt zurück. Das Ding folgte mir, mit schleppenden, schwerfälligen Schritten, unablässig vor sich hin kichernd und fürchterliche Laute ausstoßend. Ich sah, dass sich seine Füße in Drachenklauen verwandelt hatten. Der Teppich begann zu schwelen, wo es ihn
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