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Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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oberflächlicher Natur sind –, aber sie mussten höllisch schmerzen und wenn Rowlf nicht sehr viel Glück hatte, würde er ein Narbengesicht zurückbehalten.
    »Kannst du gehen?«, fragte ich. »Nur bis zur Straße. Ich habe einen Wagen.«
    Rowlf nickte und versuchte sich auf die Füße zu stemmen, schaffte es aber nicht aus eigener Kraft, sodass ich ihm helfen musste. Howard hob sein Buch, das er unter einer zerrissenen Decke verborgen hatte, vom Boden auf und griff mit der freien Hand unter Rowlfs rechten Arm.
    Die Pferde begannen unruhig zu schnauben, als wir aus der Toreinfahrt humpelten. Ihre Hufe erzeugten helle, klappernde Echos auf dem Straßenpflaster. Die Tiere waren nervös und aus irgendeinem Grunde ängstlich. Vielleicht spürten sie das Feuer, das noch immer im Hafen tobte.
    Howard erstarrte, als er die geduckte Gestalt auf dem Kutschbock sah. »Wer ist das?«, fragte er erschrocken. »Du hast -«
    »Jemanden gefunden, der uns hilft«, unterbrach ich ihn. »Wir schaffen es nicht aus eigener Kraft, Howard …«
    Howard ließ behutsam Rowlfs Arm los, ging ein paar Schritte auf den Wagen zu und blinzelte überrascht, als er das Gesicht unter dem dunklen Kopftuch erkannte. »Sie?«
    »Sie wird uns helfen«, sagte ich hastig. »Keine Sorge, Howard. Und jetzt komm – wir haben schon viel zu viel Zeit verloren.«
    Howard wandte sich widerstrebend um. In seinem Gesicht arbeitete es, aber er sagte nichts mehr, sondern half mir, Rowlf zum Wagen zu führen und rücklings auf eine der beiden ungepolsterten, hölzernen Bänke zu legen. Rowlf stöhnte ganz leise. Vorhin, als ich in den Hof gekommen war, war er halbwegs bei klarem Verstand gewesen, aber jetzt fieberte er wieder; seine Haut glühte und er hatte Schüttelfrost. Howard zog seinen Umhang von den Schultern, knüllte ihn zu einem Kissen zusammen und schob ihn unter Rowlfs Kopf, und auch ich streifte meinen Mantel ab und breitete ihn als Decke über ihn. Der Stoff war eisig und schwer vor Nässe, aber immer noch besser als gar nichts.
    »Du bleibst bei ihm«, befahl Howard. Er wandte sich um, zögerte einen Moment und legte das Buch zwischen die Sitze auf den Wagenboden. »Rühr es nicht an«, sagte er. »Ganz egal, was passiert. Hast du das verstanden?«
    Seine Worte ärgerten mich, aber ich schluckte die wütende Entgegnung, die mir auf der Zunge lag, herunter, nickte nur wortlos und ließ mich auf der zweiten Bank nieder. Das Holz war nass und plötzlich merkte ich wieder, wie kalt es geworden war. Meine Hände waren so steif, dass es schmerzte, wenn ich versuchte, die Finger zu bewegen.
    Howard sprang aus dem Wagen, ging umständlich um das Fuhrwerk herum und setzte sich neben Miss Winden auf den Bock. Eine Peitsche knallte. Rüttelnd setzte sich das Fahrzeug in Bewegung.
    Die Häuser glitten quälend langsam an uns vorüber. Es waren nur wenige Augenblicke, aber ich hatte das Gefühl, als vergingen Stunden, bis der letzte Block hinter uns zurückblieb und das freie, flache Land vor uns lag. Rowlf stöhnte leise im Schlaf und ich beugte mich von Zeit zu Zeit vor, konnte aber nichts weiter für ihn tun, als ihn besorgt anzusehen. Ich wusste, wie stark Rowlf war. Aber gerade starke Menschen neigen dazu, vollends zusammenzubrechen, wenn ihre Kraftreserven einmal aufgebraucht waren.
    Ich wandte mich nach vorne an Miss Winden. »Wie lange werden wir brauchen?«, fragte ich.
    »Nach Bettyhill?« Sie überlegte einen Moment. »Drei Stunden. Vielleicht vier. Die Straße macht einen großen Bogen nach Süden, Mister Craven. Es gibt eine Abkürzung direkt durch die Wälder, aber ich fürchte, der tagelange Regen hat den Boden aufgeweicht. Wir könnten stecken bleiben.«
    Eine Abkürzung direkt durch die Wälder … Ich wusste nicht, warum, aber ich hatte bei diesen Worten das Gefühl, irgendetwas furchtbar Wichtiges vergessen zu haben. Ich vertrieb den Gedanken. Im Augenblick zählte nur, dass wir unbehelligt aus Durness heraus waren und dass Rowlf möglichst schnell zu einem Arzt kam.
    »Dann nehmen wir die Straße«, sagte Howard. »Wir können uns kein Risiko mehr leisten.« Er sah die kleinwüchsige Frau auf dem Kutschbock neben sich mit einem sonderbaren Blick an. »Es ist sehr freundlich von Ihnen, uns zu helfen, Miss Winden«, sagte er.
    »Das war ich Ihnen schuldig«, antwortete sie knapp. Die Art, in der sie sprach, brachte Howard zu einem verwirrten Stirnrunzeln. Er drehte sich halb um, sah mich einen Augenblick prüfend an und blickte dann wieder
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