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Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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helfen.«
    Sie starrte mich an. In ihren Augen glitzerten Tränen und ihre Finger verkrallten sich in einer unbewussten Bewegung in den dünnen Stoff ihres Kleides. Ihre Lippen zuckten. Sie blickte zu Boden, schluckte ein paarmal hintereinander, hart und krampfhaft, starrte ihre Tochter und dann wieder mich an und atmete hörbar ein. »Was wollen Sie?«, fragte sie schließlich. »Ich kann Sie nicht verstecken und ich habe keinen Wagen, den ich Ihnen geben könnte. Was wollen Sie von mir? Warum quälen Sie mich?«
    »Das … liegt nicht in meiner Absicht«, antwortete ich ehrlich. Warum erschreckten mich ihre Worte so? »Ich wäre nicht hierher gekommen, wenn ich einen anderen Ausweg gewusst hätte, glauben Sie mir.«
    Wieder schwieg sie einen Moment und wieder blickten mich ihre Augen in einer Art an, dass es mir eisig den Rücken herablief.
    »Ist … ist es wahr, dass Sie den Hafen angezündet haben?«, fragte sie plötzlich. »Sie und Ihre Freunde?«
    »Ich?« Ihre Worte verwirrten mich so sehr, dass ich im ersten Moment unfähig war, zu antworten, sondern sie nur mit offenem Mund anstarrte. »Aber das ist doch Wahnsinn!«, keuchte ich. »Wir -«
    »Was sind Sie?«, fragte Miss Winden. Plötzlich war sie ganz ruhig; von jener übertriebenen, fast verkrampften Gefasstheit, hinter der sich mit aller Macht niedergehaltene Panik zu verbergen pflegt. »Was sind Sie?«, fragte sie noch einmal, als ich nicht gleich antwortete. »Sie und Ihre Freunde?«
    »Was sagt man denn, das wir sind?«, fragte ich.
    »Man sagt, Sie wären ein Hexer, Mister Craven«, antwortete Miss Winden ernst. »Man sagt, Sie wären mit dem Teufel im Bunde. Ist … ist das wahr?«
    »Unsinn«, schnappte ich, aber ich sah an der Reaktion auf ihrem Gesicht, dass es genau die falsche Antwort war, und fügte, so ruhig ich in diesem Moment konnte, hinzu: »Es ist nicht wahr, Miss Winden. Ich … ich kann es Ihnen jetzt nicht erklären, aber wir sind weder mit dem Teufel noch mit sonstwem im Bunde. Der Brand am Hafen ist nicht unsere Schuld, im Gegenteil. Es waren … es waren die Männer, die uns töten wollten. Sie haben Petroleum ins Wasser gegossen, um uns zu verbrennen. Der Brand hat sich ausgeweitet und auf das Hafengebiet übergegriffen, aber es war nicht unsere Schuld.«
    »Sie sind ein Hexer!«, beharrte sie. Der Ausdruck der Furcht in ihren Augen wurde stärker. »Sie … seit Sie in die Stadt gekommen sind, ist das Unglück hier eingekehrt. Es sind -«
    »Es sind sonderbare Dinge geschehen, ich weiß«, unterbrach ich sie. Ich versuchte zu lächeln – es misslang –, ging sehr langsam, um sie nicht noch mehr zu ängstigen und zu einer unbedachten Handlung hinzureißen, um das Bett herum, und ließ mich auf seine Kante sinken. Sally bewegte im Schlaf den Kopf. Ich sah, dass ihre Haut fiebrig glänzte und ihre Lippen aufgesprungen und rissig waren; sie bot ein Bild des Jammers. Es war schwer vorstellbar, dass dieses unschuldige Kind noch vor Tagesfrist ein Ungeheuer in sich beherbergt hatte, das den Grenzen des Vorstellbaren schlichtweg spottete.
    Behutsam beugte ich mich vor und berührte ihre Stirn mit dem Handrücken. Ihre Haut war heiß. Aber es war sonderbar – fast im gleichen Augenblick, in dem meine Hand ihre Stirn berührte, hörte sie auf, sich im Schlaf hin und her zu werfen. Ihr Atem beruhigte sich und die Augäpfel, die sich bisher hektisch hinter den geschlossenen Lidern hin und her bewegt hatten, kamen endlich zur Ruhe.
    Miss Winden sog scharf die Luft ein. »Was … was tun Sie mit ihr?«, fragte sie misstrauisch.
    »Nichts«, antwortete ich. »Keine Sorge – ich habe weder vor, Sally etwas zu Leide zu tun, noch sonst irgendeinem Menschen. Glauben Sie mir, ich bin nicht ihr Feind. Im Gegenteil.«
    Sie schluckte. Ihr Blick flackerte unstet.
    »Ich weiß, was die Menschen hier über uns sagen«, sagte ich leise. »Und ich kann sie fast verstehen. Es sind … sonderbare Dinge geschehen, seit wir nach Durness kamen. Und vielleicht ist es sogar unsere Schuld. Vielleicht hätten wir niemals hierher kommen dürfen.«
    Fast eine Minute lang starrte mich Miss Winden an. Dann, mit einer Bewegung, der man ansah, wieviel Überwindung sie sie kostete, nickte sie. »Ich … werde Ihnen helfen«, sagte sie, so leise, dass ich Mühe hatte, sie überhaupt zu verstehen.
    »Dann glauben Sie mir?«, fragte ich.
    »Ich werde Ihnen helfen, Ihnen und Ihren Freunden«, erwiderte sie steif. »Sie haben das Leben meiner Tochter gerettet, Mister
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