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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage
Autoren: M Wilcke
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ehrbarsten Osnabrücker Kaufmänner der Hexerei zu bezichtigen.
    Allem Anschein nach hatte sie sich geirrt.
    »Meine Frau ist keine Hexe. Sie wurde übel verleumdet«, sagte Ameldung.
    »Sie wurde von mehreren verläßlichen Quellen beschuldigt. Ihr werdet einsehen, daß der Rat diese Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen kann.«
    »Und wenn ich mich weigere, sie gehen zu lassen?«
    »Dann werden wir sie mit Gewalt aus diesem Haus schaffen«, meinte der Amtmann mit einem Seitenblick auf die beiden kräftigen Büttel, die ihn flankierten.
    Ameldung ballte die Hand zur Faust und streckte sie den ungebetenen Besuchern drohend entgegen. »Bei Gott, dann werdet ihr mich niederschlagen müssen.«
    »Hört auf!« fuhr Anna dazwischen. Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Ich werde Eurer Aufforderung Folge leisten, denn ich habe nichts zu befürchten. Gott weiß, daß ich mich keines der Verbrechen schuldig gemacht habe, derer Ihr mich bezichtigt.«
    »Das wird sich herausstellen«, sagte der Amtmann.
    Heinrich starrte sie verzweifelt an, doch ihre Entscheidung war unumstößlich, auch wenn es bedeutete, daß sie ihn vielleicht für immer verlassen mußte.
    »Gebt mir einige Minuten, um mich umzuziehen.«
    |13| Der Amtmann nickte, gab dann aber, als Anna Anstalten machte, die Treppe in den ersten Stock hinaufzusteigen, einem der Büttel ein Zeichen, woraufhin der Mann ihr nach oben folgte.
    »Keine Sorge, ich werde schon nicht durch das Fenster davonfliegen«, sagte sie, während sie mit zitternden Fingern die Bänder ihrer Haube unter dem Kinn zusammenknotete. Der grobschlächtige Büttel, der sie nicht aus dem Auge ließ, grunzte nur. Anscheinend hatte er ihren Scherz nicht verstanden.
    Himmel, dieser Mann ist wirklich davon überzeugt, daß ich eine Hexe bin,
stellte sie erschüttert fest.
    Aus einer Kleidertruhe suchte sie einen dunkelgrauen, mit Goldfäden verzierten Umhang aus grobem Stoff, der für diese Jahreszeit eigentlich zu warm war. Da Anna befürchtete, daß sie mehrere Nächte auf einem harten Lager verbringen mußte, würde er sich aber wohl als nützlich erweisen.
    Mit einer simplen Befragung würde sich diese Angelegenheit nicht regeln lassen. Anna wußte, daß man sie in den Bucksturm sperren würde, einen alten Wehrturm, der als Hexengefängnis diente. Man würden sie in Ketten legen und womöglich sogar foltern, um das Geständnis einer nicht vorhandenen Schuld zu erpressen. Ihr wurde übel bei dem Gedanken daran, daß man sie ihrer Würde beraubte und sie von den Menschen und der Umgebung trennte, die sie liebte.
    Wer soll den Kindern helfen, wenn man mir das Leben nimmt?
dachte Anna traurig.
    Als sie wieder in die Apotheke trat, ging sie zu Heinrich und berührte zärtlich seine Wange. Sein Zorn war dahin, er wirkte nun, da sie mit Umhang und Haube vor ihm stand, einfach nur erschüttert. Sein Gesicht war so blaß, als hätte man das Haupt mit Mehl bestäubt, und in seinen Augen schimmerten Tränen. Sie hatte ihn in all den Jahren niemals weinen gesehen. Auf diese Art zu erfahren, wie viel sie ihm bedeutete, machte es ihr nur noch schwerer, zu gehen und ihn hier zurückzulassen.
    |14| »Gib mich nicht auf«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme.
    »Niemals, so lange ich lebe«, erwiderte er leise.
    Von den beiden Bütteln eskortiert wurde sie auf die Straße geführt, wo ein Pferdekarren für sie bereit stand. Die Sonne ließ sie unter dem schweren Umhang schwitzen. Anna blieben nicht die neugierigen Blicke der Umstehenden verborgen, die tuschelnd verfolgten, wie sie auf den Karren stieg.
    Der Karren setzte sich in Bewegung und fuhr ruckelnd am Rathaus vorbei. Sie krallte ihre Finger um das Holz des Wagenaufbaus und brachte nicht mehr den Mut auf, sich zur Apotheke umzudrehen. Würde sie das Haus und ihre Familie jemals wiedersehen? Es war qualvoll darüber nachzudenken, und darum mußte sie versuchen, diese betrüblichen Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen.
    Aus den Augenwinkeln nahm sie an den Fenstern des Rathauses Bewegungen wahr. Anna berührte das kleine silberne Kruzifix, das an einer Kette um ihren Hals baumelte. Ihr Stolz und das Vertrauen auf Gott war alles, was ihr nun noch blieb.

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    Kapitel 2
    Ist es ein Dämon, der dort vor ihm in der Ecke der Küche liegt und so gierig an einem Suppenknochen kaut, daß ihm der Speichel aus dem Mundwinkel trieft? Das kurze schwarze Fell glänzt wie Pech in der Sonne, der Geruch, der von dieser Kreatur ausgeht, erinnert
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