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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage
Autoren: M Wilcke
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Wenn er die Augen schloß, sah er noch immer das Bild des geifernden Hundes vor sich, spürte wie die Zähne die Haut von seinem Gesicht rissen.
    Aber warum? Warum nur war er verdammt dazu, diese Qualen zu erfahren und die Erinnerung daran für immer in sich zu tragen?
    Wenn es überhaupt eines Grundes bedurft hätte, den Teufel zu hassen, dann hatte er ihn hierin gefunden.
    Es klopfte an der Tür. Jakob atmete mehrere Male tief ein und aus und versuchte sich zu beruhigen. Erst dann öffnete er.
    »Ich habe ein Geräusch gehört. Also nahm ich an, daß Ihr wach seid«, wurde er von Catharina begrüßt, einer Magd aus dem Gesinde des Laurentzschen Haushalts, die mit einem Becher Milchmehlsuppe und Rasierzeug eintrat.
    »Die Schüssel … ich war wohl ein wenig ungeschickt«, sagte Jakob und hoffte, daß Catharina ihm nicht anmerkte, wie durcheinander er war.
    »Ihr schwitzt, gnädiger Herr.« Catharina tupfte mit der Spitze ihrer Schürze seine Stirn ab. »Verfolgen Euch böse Träume?«
    »Träume?« Jakob hielt inne.
Warum nicht?
Das war immerhin eine gute Erklärung. »Ja, Träume. Du hast ganz Recht.«
    Während er die Milchmehlsuppe aß, wischte Catharina den Boden trocken und stellte die Schale zurück an ihren Platz. Argwöhnisch betrachtete sie die Bücher, die sich neben dem Lesepult stapelten. Sie nahm eines davon – es handelte sich um das Werk von Delrio – in die Hand und blätterte darin.
    »All diese vielen winzigen Buchstaben«, stöhnte sie. »Wie anstrengend muß es sein, sie zu lesen und den Sinn dahinter zu verstehen.«
    »Hast du dir niemals gewünscht, lesen zu lernen, Catharina?«
    |18| Catharina grinste schief. »Wozu? Ihr habt mir einmal erzählt, daß Ihr Euch mit Büchern über das Erkennen und die Bestrafung von Teufelswerk beschäftigt. Ich sage Euch, sollte mir ein Teufel gegenübertreten, dann würde ich ihm ganz einfach einen kräftigen Tritt in den Hintern verpassen. Dazu brauche ich keine Bücher.«
    An manchen Tagen beneidete Jakob sie um ihre Schlichtheit. Er selbst war eher ein Grübler, der sich jedes Problem zu Herzen nahm, während es Catharina gelang, trotz ihres kargen Lebens als Bedienstete stets ihren Frohsinn zu bewahren.
    Er schmunzelte. »So kann man das Problem wohl auch lösen.«
    Catharina lag noch etwas anderes auf dem Herzen. »Erlaubt Ihr mir, Euch zu rasieren?« Jakob wunderte es, daß sie überhaupt um seine Erlaubnis fragte. Er lebte seit nunmehr sieben Wochen im Haus von Johann Albrecht Laurentz, und bislang war kaum ein Morgen vergangen, an dem Catharina nicht darum gebeten hätte, sich um seine Bartpflege zu kümmern.
    Dieser Dienst kam ihm nicht ungelegen, denn es gab einen besonderen Grund, warum er es vorzog, sich von Catharina rasieren zu lassen: seine linke Hand. Als Kind hatte er wie selbstverständlich die linke Hand bevorzugt. Er begann mit links die Schreibfeder zu führen, hielt den Löffel in der linken Hand und wischte sich auch den Hintern mit der Linken. Sein Vater, dem dieses Verhalten nicht verborgen geblieben war, hatte ihn bald darauf zur Seite genommen und ihm erklärt, daß die linke Seite des Körpers dem Teufel zugetan sei. Fortan übte er Jakob darin, die rechtschaffene rechte Hand zu benutzen. Zunächst legte er dabei noch Milde und Verständnis an den Tag, später jedoch wurde Jakob im elterlichen Haus die linke Hand auf den Rücken gebunden oder mit Schlägen traktiert, bis er lernte, auf ihren Gebrauch zu verzichten. Es dauerte Jahre, bis er darin geübt war, alltägliche Arbeiten mit der Rechten zu erledigen. Vor allem das Rasieren fiel ihm noch immer schwer. Oftmals ritzte die Klinge bei seinen ungelenken Bewegungen in die Haut, doch lieber |19| nahm er diese kleinen Blessuren in Kauf, als daß er dem Teufel einen Gefallen tat.
    »Ich glaube, du würdest es mir sehr übelnehmen, wenn ich dir deine Bitte verweigerte.« Jakobs Worte gingen in den lautstarken Gesängen einiger Söldner unter, deren lärmende Stimmen durch das offene Fenster hereindrangen.
    »Betrunkenes Pack!« schimpfte Catharina und klappte das Fenster zu. »Das wollen Soldaten sein? Die Kerle können mit einem Krug Branntwein sicher besser umgehen als mit ihren Musketen oder Degen.«
    Jakob lächelte unwillkürlich angesichts der Verachtung, die Catharina den fremden Söldnern gegenüber an den Tag legte. Hier im Haus war oft darüber getuschelt worden, daß die Magd stattlichen Soldaten, die ihr schöne Augen machten, nicht unbedingt abgeneigt sei.
    Die
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