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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage
Autoren: M Wilcke
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niemals eine vollwertige Arbeit leisten können, und da ihr Gesicht auf das ärgste entstellt war, konnte sie zudem kaum auf eine Ehebindung, selbst mit einem Mann aus den niedersten Ständen, hoffen.
    Sie nahm den Korb wortlos entgegen und wollte schon ins Haus gehen, als auf der Straße ein lautes Hundegebell ertönte. Maria stieß ein erschrockenes Wimmern aus, und auch Jakob fuhr zusammen und zitterte am ganzen Körper, obwohl beiden klar war, daß dies nicht der schwarze Streuner sein konnte, denn das boshafte Tier war nach seinem Angriff auf Maria von den Knechten erschlagen worden.
    Jakob beruhigte sich wieder, doch er bemerkte, daß Maria ihn zweifelnd anstarrte. Konnte sie ihm sein Wissen ansehen? Erahnte sie, daß er um die Schmerzen wußte, die sie ertragen hatte?
    War es Angst, die Maria veranlaßte, sich von ihm abzuwenden |27| und ohne ein Wort des Dankes ins Haus zu laufen? Und dabei verspürte doch er selbst die größte Angst. Angst vor dem schlimmen Spiel, das die teuflischen Mächte mit ihm trieben.

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    Kapitel 3
    Der Ritt durch die Grafschaft Ravensberg bis in das Bistum Osnabrück führte Jakob Theis und Johann Albrecht Laurentz zwei Tage lang über schmale, steinige Pfade, die durch die Regenfälle der vergangenen Tage in einen beschwerlichen morastigen Untergrund verwandelt worden waren, der es ihnen unmöglich machte, in zügigem Galopp voranzukommen.
    Sie trabten gemächlich dahin und sprachen nur gelegentlich miteinander, obschon Laurentz im Grunde ein mitteilsamer Mensch war, der im Gegensatz zu Frau und Tochter einen scharfzüngigen Humor entwickeln konnte und sich nur selten um eine derbe Bemerkung verlegen zeigte. Jakob hatte ihn zudem als Freund ausgedehnter Mahlzeiten und kräftigen Weines kennengelernt, was sich in der nicht unerheblichen Leibesfülle seines Brautvaters allzu deutlich widerspiegelte.
    Laurentz’ Laune war getrübt. Während des Rittes klagte er über Magenschmerzen. Jakob, der zumeist einige Meter voraus ritt, konnte oft nicht ausmachen, ob die lauten furzenden Geräusche hinter ihm von Laurentz oder von dessen Pferd stammten.
    Gelegentlich passierten sie zerstörte Bauernhäuser und niedergebrannte Dörfer, in deren Ruinen verwahrloste Gestalten vor ihren Blicken davonschlichen. Der Krieg hatte das Land arm gemacht. Tausende von Soldaten, zuerst die Dänen, dann die Truppen der katholischen Liga und nur wenige Jahre darauf die Schweden, waren durch Norddeutschland gezogen und hatten eine Spur der Verheerung hinterlassen, die einer biblischen Plage gleichkam.
    |28| Nachdem sie die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatten, legten Jakob und Laurentz am Abend in einem schäbigen Dorfgasthaus eine Rast ein. Sie bekamen für teures Geld ein karges Zimmer zugewiesen und eine Stutensuppe serviert, die aus zerbröseltem Zwieback in einer Fleischbrühe bestand.
    »Schmeckt, als hätte mein Pferd drauf gepißt«, knurrte Laurentz und schob naserümpfend den Holzlöffel in seinen Mund. Jakob konnte ihm nur zustimmen und amüsierte sich über Laurentz’ treffenden Vergleich.
    »Dieser Wilhelm Peltzer – was ist das für ein Mann?« fragte Jakob während des Essens.
    »Peltzer? Oh, er ist ein wahrer Streiter seines lutherischen Glaubens. Kein Mann, der anderen nach dem Mund redet, nein, er tritt vehement für seine Überzeugungen ein und scheut keinen Streit.«
    »Und seid Ihr gut mit ihm bekannt?«
    »Es sind wohl an die drei Jahre vergangen, seit ich Peltzer zuletzt begegnet bin. Bischof Franz Wilhelm hatte ihn im Zuge der Gegenreformation 1628 aus Osnabrück ausgewiesen. Peltzer stellte sich daraufhin in den Dienst des Herzogs von Lauenburg, an dessen Hof auch ich mich zur selben Zeit aufhielt. Peltzer und ich fanden schnell heraus, daß unsere Ansichten sehr ähnlich waren, und verbrachten unzählige Abende damit, über Politik, den Krieg und Kirchenangelegenheiten zu diskutieren. Schon damals wurde Peltzer nur von dem einen Ziel getrieben, in seine Heimatstadt zurückzukehren und für die Religionsfreiheit zu streiten. Als Osnabrück dann vor drei Jahren von den Schweden besetzt wurde, suchte Peltzer mich in Minden auf und teilte mir mit, daß Bischof Franz Wilhelm geflohen sei und er nach Osnabrück heimzukehren gedenke. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesprochen, aber ich verfolgte stets mit Interesse die Berichte über seinen Aufstieg in immer höhere Ämter. Im Januar dieses Jahres wurde er schließlich zum Ersten Bürgermeister gewählt. Auf diese
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