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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage
Autoren: M Wilcke
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Position hatte er seit Jahren sein |29| Augenmerk gerichtet, und, ehrlich gesagt, hätte es mich sehr verwundert, wenn Peltzer sein Ziel nicht erreicht hätte.«
    Jakob lauschte fasziniert Laurentz’ Ausführungen über den Bürgermeister Peltzer, in dessen Haus sie die nächsten Tage leben würden. Er war gespannt auf diesen Mann, der sich den mächtigen Bischof zum Feind gemacht hatte und gleichzeitig einen tapferen Kampf gegen die schwedische Besatzung führte.
    Nach dem Essen zogen sie sich früh in ihre Kammer zurück, um am nächsten Morgen ausgeschlafen zu sein.
    Es war beruhigend für Jakob und Laurentz, in der Nacht ein Dach über dem Kopf zu wissen. Auch wenn sich momentan keine Söldner in der Gegend aufhielten, konnte man niemals wirklich sicher sein, ob sich des Nachts marodierende Banden oder anderes Gesindel in den Wäldern herumtrieb. Selbst hier im Gasthof legte Jakob seinen Degen griffbereit neben die knarrende Bettstatt, die unter seiner und vor allem unter der Last des Johann Albrecht Laurentz’ gefährlich schaukelte.
    Am nächsten Morgen brachen sie zeitig auf und ritten viele Stunden ohne Rast. Es war bereits später Nachmittag, als Jakob in der Ferne Osnabrück ausmachen konnte. Die stattliche Bischofsstadt, aus deren Silhouette vier Kirchtürme herausragten, erstreckte sich in einer Talmulde am Ufer eines verzweigten Flusses. Zahlreiche Wehrtürme schmückten die Stadtmauer, doch weder diese Festungsbauten noch die mächtige, vor wenigen Jahren von Bischof Franz Wilhelm an der Südseite errichtete Zitadelle hatten die Stadt vor der Besetzung durch schwedische Truppen geschützt. Die Verteidigung Osnabrücks besaß einen entscheidenden Schwachpunkt, denn in unmittelbarer Nähe wurde die Stadt von zwei Anhöhen überragt, die es den Belagerern ermöglichten, dort Stellung zu beziehen und ihre Kanonen auf die Stadt zu richten.
    Jakob und Laurentz passierten die mit dichtem Dornengestrüpp bepflanzten Wälle der Landwehr, die von den Bürgern aufgeschüttet worden waren, um unmittelbaren Überfällen vorzubeugen. |30| Sie hielten an einem Schlagbaum, den sie eigenhändig aufrichten mußten, da der Wachturm an diesem Durchgang verlassen worden war. Allem Anschein nach fühlte sich die zahlenmäßig recht starke schwedische Besatzung in der Stadt so sicher, daß sie es nicht für nötig erachtete, die Dienste der Landwehr in Anspruch zu nehmen.
    Bald darauf erreichten sie das Stadttor an der Ostseite, dem eine Bastion vorgelagert worden war, auf deren Rondell Jakob zwei gelangweilt wirkende, mit Musketen bewaffnete Männer erkennen konnte. Ein Torwärter warf ihnen einen nichtssagenden Blick zu, ließ sie aber ungehindert passieren.
    Acht Jahre waren vergangen, seit Jakob sich in Osnabrück aufgehalten hatte. Damals hatte er seinen Vater begleitet, dessen Schwester in Osnabrück gelebt hatte. Der Bau der Zitadelle war kurz zuvor begonnen worden, und in der Stadt hatten sich Hunderte Söldner aus der Armee des katholischen Feldherrn Tilly Quartier verschafft. Jakob erinnerte sich gut daran, wie sehr seine Tante Fredeke, eine beherzte Lutheranerin, über Bischof Franz Wilhelm geklagt hatte, der die auf Betreiben Tillys errichtete Zwingfeste zu seinem eigenen Nutzen und zur Maßregelung und Rekatholisierung der Bürgerschaft einsetzte. Auch die beiden evangelischen Kirchen Osnabrücks waren im Zuge dieser Gegenreformation geschlossen und ihre Priester vertrieben worden.
    Fredeke starb im Frühjahr darauf, und so war es ihr nicht vergönnt, zu erleben, daß die Bemühungen des Bischofs ein jähes Ende fanden, als im Jahr 1633 ein evangelisches Heer unter Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg und dem schwedischen Heerführer Dodo von Knyphausen die Stadt besetzte und die in die Zitadelle geflüchteten katholischen Truppen aushungern ließ. Bischof Franz Wilhelm hatte die Stadt bereits einige Tage zuvor fluchtartig verlassen
.
    Nach den zwei Tagen in freier Natur fühlte Jakob sich in der engen Stadt mit ihren winkligen Gassen regelrecht bedrückt. |31| Zwei- bis dreistöckige Häuser rahmten die zumeist ungepflasterten Straßen ein, die von Dung- und Abfallhaufen gesäumt wurden, in denen streunende Hunde und freilaufende Schweine wühlten. Aus den zur Straße hin offenen Werkstätten erklang das Hobeln und Hämmern, Klopfen und Schaben der Handwerker.
    Alles in allem unterschieden sich Osnabrück und Minden nicht sehr voneinander, doch Jakob sah es den trägen Gesichtern dieser Leute an, wie sehr
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