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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde
Autoren: Anne Rice
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Aaron. »Ich bin bei Ihnen.«
    Der Schmerz in seiner Brust war gewaltig; er preßte ihm die Lunge zusammen. Seine Arme waren gefühllos. Aber die Dunkelheit war sauber und still, und als sie ihn davonrollten, fühlte es sich an, als fliege die Bahre.
    Jemand preßte ihm die kleine Maske fest auf das Gesicht, als sie ihn in den Krankenwagen hoben. »Melde Herznotfall, kommen jetzt rein, bitte um Bereitstellung von…« Decken hüllten ihn ein.
    Aarons Stimme, dann eine andere: »Er fibrilliert wieder! Verflucht! Los doch!«
    Die Türen des Krankenwagens wurden zugeschlagen, und sein Körper schaukelte leicht zur Seite, als der Wagen anfuhr.
    Die Faust rammte sich in seine Brust, einmal, zweimal, noch einmal. Sauerstoff wurde in ihn hinein gepumpt, kam aus der Plastikmaske wie eine kalte Zunge.
    Der Alarm gellte immer noch, oder war es die Krankenwagensirene, die so sang, ein ferner Schrei, wie die Schreie jener verzweifelten Vögel am frühen Morgen, Krähen, die in großen Eichen krächzten, als kratzten sie am rosaroten Himmel, an der dunklen, tiefen, moosbedeckten Stille.

 
    Epilog
53
     
    Irgendwann, bevor es Nacht wurde, begriff er, daß er in der Intensivstation war, daß er im Swimmingpool einen Herzstillstand erlitten hatte, ein zweites mal auf dem Weg ins Krankenhaus, ein drittes mal in der Notaufnahme. Sie regulierten seinen Puls jetzt mit einem starken Medikament namens Lidocain, und infolgedessen war sein Geist vernebelt, und er konnte keinen klaren Gedanken fassen.
    Aaron durfte ihn jede Stunde für fünf Minuten besuchen. Irgendwann war auch Tante Vivian da. Und dann kam Ryan.
    Verschiedene Gesichter erschienen über seinem Bett, unterschiedliche Stimmen sprachen mit ihm. Es war wieder hell, als der Arzt ihm erklärte, daß die Schwäche, die er verspürte, normal sei. Die gute Nachricht war, daß der Herzmuskel relativ geringen Schaden davongetragen hatte; tatsächlich genas er bereits. Man würde ihn medikamentös einstellen, er würde blutverdünnende und cholesterinsenkende Mittel bekommen. Heilsame Ruhe, das waren die letzten Worte, die er hörte, als er wieder einschlummerte.
    Es mußte Silvester sein, als sie ihm schließlich alles erzählten. Inzwischen waren die Medikamente reduziert worden, und er konnte ihrem Bericht folgen.
    Als die Feuerwehr eingetroffen war, hatte sich niemand auf dem Grundstück befunden. Nur der Alarm hatte geheult. Nicht nur die Glassicherungen waren abgerissen, es hatte auch jemand die Zusatzknöpfe für Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen gedrückt. Die Feuerwehrleute waren durch das Tor und über den Weg nach hinten gerannt, und sofort hatten sie das zerbrochene Glas vor der offenen Küchentür, die umgestürzten Verandamöbel und das Blut auf den Steinplatten gesehen. Dann hatten sie die dunkle Gestalt entdeckt, die unter dem Wasserspiegel im Swimming-pool trieb.
    Aaron war etwa in dem Augenblick erschienen, als sie Michael wieder zu sich gebracht hatten. Die Polizei ebenfalls. Man hatte das Haus durchsucht, aber niemanden gefunden. Im Haus war Blut von unklarer Herkunft gewesen, und es hatte Spuren eines Brandes gegeben. Oben waren Schränke und Kommoden geöffnet worden; ein halb gepackter Koffer hatte offen auf dem Bett gelegen. Spuren eines Kampfes hatte man weiter nicht finden können.
    Ryan war es gewesen, der am selben Nachmittag festgestellt hatte, daß Rowans Mercedes-Kabrio nicht mehr da war und daß ihre Handtasche und alle Ausweispapiere verschwunden waren. Auch ihren Arztkoffer konnte niemand finden, obgleich die Verwandten sicher waren, daß sie schon einmal einen bei ihr gesehen hatten.
    Da es keine vernünftige Erklärung für das Geschehene gab, war die Familie in Panik geraten. Um Rowan als vermißt zu melden, war es noch zu früh, aber die Polizei hatte dennoch mit einer inoffiziellen Suchaktion begonnen. Noch vor Mitternacht hatte man das Auto im Flughafenparkhaus gefunden, und bald stand fest, daß sie am Nachmittag zwei Tickets nach New York gekauft hatte und daß ihr Flugzeug dort planmäßig gelandet war. Eine Fluglinienangestellte erinnerte sich an sie und daran, daß sie mit einem großen Mann unterwegs gewesen war. Die Stewardessen erinnerten sich an beide; sie hätten während des ganzen Fluges miteinander geredet und getrunken. Nichts hatte darauf hingedeutet, daß Zwang im Spiel oder sonst etwas faul gewesen wäre. Die Familie konnte nur abwarten, bis Rowan sich meldete oder bis Michael ihnen erklärte, was geschehen war. Drei Tage
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