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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Schürzen an einer Garderobenleiste. Schielin ging weiter, öffnete die Tür und gelangte in den Wohnraum. Ein glatter, heller Dielenboden empfing sie. Schielin rief zweimal ein lautes »Hallo!«. Niemand antwortete. Von irgendwoher war leise Musik zu hören. Funk sah ihn an und verzog das Gesicht zu einer fragenden Miene. Sie blieben stehen und sahen sich in dem großen, lichten Raum um. Rechts dominierte eine zwar schlichte aber dennoch massiv wirkende Eckbank, vor der ein runder Tisch und zwei Stühle standen. Es sah etwas eigenwillig aus. Erst beim bewussten Hinsehen gewahrte man, dass die Lampe über dem Tisch brannte. Hinten an der Wand die den Raum halb trennte, befand sich ein Kachelofen mit alten weißblauen Kacheln, in der Nische zur Wand war ein altes Kanapee eingeklemmt. Bücherregale füllten den Raum zwischen den Fenstern. Links neben dem Kachelofen führte ein breiter, offener Durchgang zur Küche hinaus. Außergewöhnlich war die verkleidete Holztreppe, die Bestandteil des Wohnraums war und mit vier Stufen zuerst Richtung Wand, auf ein Podest leitete, dort wendete, und parallel zur Holzwand nach oben führte. Auf dem Tisch standen zwei Tassen. Eine war halb gefüllt. Kalter Kaffee. Daneben die Montagsausgabe der FAZ, wie Schielin feststellte. Unaufgeschlagen, so, wie man sie aus dem Briefkasten genommen hatte.
    Die freien Stellen der Wände schmückten Ölbilder. Landschaften und Stillleben. Wo dann noch Platz war, fanden sich alte Stiche.
    Beide erschraken, als die Wanduhr schlug. Sie zeigte drei Uhr an, doch es war schon vier Uhr nachmittags. Schielin atmete genervt aus und blickte zu Funk. Der ging langsam nach oben. Schielin stand unschlüssig im Wohnzimmer, betrachtete alles ein zweites Mal, warf dann einen Blick in die Küche und öffnete eine Tür, die unter dem hölzernen Treppenkasten hindurch in einen Vorratsraum führte und von dort weiter in eine Art Waschküche.
    Unter dem Treppenkasten befand sich linker Seite ebenerdig eine Klapptüre. Eine ausgetretene Sandsteinstufe zeigte, dass es hier in den Keller hinabging. Schielin hob den Bodendeckel an und fand drunten, hinter einer weiteren, von der Kellerfeuchte modrig gewordenen Tür, einen dumpfen Raum mit Lehmboden. Die Regale waren gut gefüllt mit Einmachgläsern. In der Ecke standen Weinflaschen und Weinkisten, hinter einem Brett lag noch ein Rest eingelagerter Kartoffeln, ganz so wie es sich gehörte.
    Alles wirkte so still und friedlich. Nirgends waren Spuren zu sehen, die auf ein außergewöhnliches Geschehen hindeuteten. Das Haus lag verlassen, in stiller Ordnung. Und trotzdem hatte Schielin kein gutes Gefühl. Es war ihm unangenehm hier in diesem Raum zu stehen, doch kannte er nicht die Ursache für dieses Gefühl. Es war ein Gefühl, noch keine Ahnung, und es war nicht gut, dieses Gefühl. Nicht die Situation an sich war dafür verantwortlich, denn in fremden Wohnungen zu sein, die Räume, ihre Einteilung, die Möbel, den Geruch – all dies anzusprechen, zu bewerten und daraus zu folgern –, das war für ihn nichts Neues. Vielmehr war es das täglich Brot seines Berufes, fremd zu sein an verschiedenen Orten.
    Von oben hörte er die Schritte Funks, der die Treppe wieder herunterkam und den Kopf schüttelte. »Ist niemand da. Nichts zu sehen. Da oben sind ein Schlafzimmer, ein Bad und eine Werkstatt, nach hinten raus, mit offenem Zugang in den Giebel. Schaut gut aus. Alles voller Papier, Kartons und Leder. Dieser Herr Kohn scheint ein Buchbinder oder Buchrestaurator zu sein. Es liegen jede Menge alter Schinken rum. Da kommt auch dieser würzige Geruch nach Leim, Leder und Firnis und altem Tuch her.«
    »Was hältst du von der Sache?«, fragte Schielin.
    »Ist schon seltsam, irgendwie. Sieht fast so aus, als wären die Bewohner mitten unter dem Alltag verschwunden. Das Radio, das Licht, Geschirr auf dem Tisch.«
    »Finde ich auch seltsam. Aber das Auto steht noch in der Garage und am Schlüsselbrett da drüben hängen zwei Autoschlüssel mit anderen Schlüsseln zusammen. Könnten die Schlüssel fürs Haus sein. Wo soll denn jemand hingehen, ohne Auto, ohne Schlüssel. Passt irgendwie doch nicht, oder?«
    Funk deutete auf das helle Sideboard, das an der Wand stand. Ein paar silberne Bilderrahmen waren darauf zu sehen. Es war nicht schwer das Ehepaar Kohn herauszufinden. Er war ein kleiner Kerl, mit weißgrauem Bart über furchiger, brauner Gesichtshaut. Seine Augen funkelten dunkel in die Kamera. Er sah zäh aus und gebildet. Für
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