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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein
Autoren: Jakob Maria Soedher
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mit schwerer Zunge, dass er einmal drüben gewesen sei, beim Kohn. Bei der Arbeit habe er ihm zugesehen, das Zeug mit den alten Büchern eben.
    Sie ergänzte fleißig, dass Kohn sogar eine alte Familienbibel der Familie wieder hergerichtet habe – ohne etwas dafür zu verlangen. Der Mann ging wortlos ins Haus und kam mit einem alten Lederschinken wieder zurück, den er seiner Frau in die Hand drückte, die den Wälzer an Funk weiterreichte. Der blätterte ein paar Seiten durch und nickte anerkennend. Sie erklärte, dass sie erst seit einigen Monaten hier in dem Haus wohnten und noch kaum Kontakt zu den Nachbarn hätten. Als sie grinste, war eine dunkle Lücke zwischen den beiden oberen Schneidezähnen zu sehen. Dafür funkelte auf dem rechten Schneidezahn ein Brilli.
    »Es wird doch nichts passiert sein«, meinte sie, als Funk und Schielin sich verabschiedeten. Sie hatte ihre Hand dabei an die Wange gelegt.

    Als Funk kurze Zeit darauf mit dem Auto langsam die Straße entlangfuhr, warfen sie beide noch mal einen Blick in den Hof. Der Pool war nun leer. Der farbige Zuwendungsersatz lag noch herum.
    »Was gab es wohl zu feiern?«, sagte Schielin, ohne Funk dabei anzusehen.
    »Mhm. Vielleicht einfach so …«
    »Er hat geschwitzt, der Herr Haubacher«, stellte Schielin fest und fühlte den eigenen, feinen Schweißfilm oberhalb der Schläfe, als ein Windzug des Gebläses seinen Kopf streifte.
    »Wir schwitzen auch«, entgegnete Funk und drehte die Klimaanlage weiter hoch.
    »Er hat anders geschwitzt. Du hast es doch auch gesehen. Und er hat sich bemüht die Klappe zu halten. So klar war er wohl noch in der Birne.«
    »Ja, natürlich. Der hatte schon ganz schön getankt. Wie im Laientheater ist es da zugegangen.«
    »Du hast ihre Hände gesehen«, stellte Schielin nüchtern fest.
    »Ja. Sie hat gezittert und es lag nicht an der schweren Bibel, die sie gehalten hat. Sie musste auch sonst ihre Hände gefaltet halten und wenn sie sie einmal gelöst hat, dann waren die Druckstellen ganz weiß. Seltsam, alles seltsam hier. Und hast du den schmalen Trittpfad im Rasen gesehen? Der führt zum Hang und dann hinüber zum Hexenhäuschen. Er muss da drüben irgendwo hinter der Garage rauskommen. Einen Zaun habe ich auch von drüben zwischen den Grundstücken nicht entdecken können. Der Hügel und die Bäume sind ja auch als natürliche Grenze ausreichend. Aber irgendwer muss schon regelmäßig diesen Pfad gehen, sonst wäre der nicht so als solcher zu erkennen.«
    »Gute Nachbarschaft eben.«
    Funk lachte. »Genau. Nichts gehört, nichts gesehen, nichts gesagt, nichts gemacht. Wir werden mal schauen, was unser Datenbestand ausspuckt, wenn wir Haubacher eingeben.«
    »Wird schon was zusammenkommen«, meinte Schielin, »wenigstens haben die noch eine Familienbibel … hättest du das erwartet?«
    Robert Funk schwieg.
    *
    Es war eine schwermütige Hitze, die sich, wie aus großen Kannen gegossen, über den See und seine Ufer breitete. Sie wirkte wie ein schnelles Gift, verlangsamte den Gang der Dinge und brachte eine seltene Mattigkeit über Menschen und Tiere. Die Lindauer Insel lag schutzlos im dumpfen Wasser, die Appenzeller Hügelzüge versanken hinter einem undeutlich grauen Flimmern und die Umrisse von Bregenz hielten sich nur verwaschen und unwirklich wie eine Geisterstadt über dem Wasser.
    Robert Funk klapperte seinen Bericht über den Wasserburger Einbruchsversuch in die Tastatur. Immer wieder unterbrach er die Formulierungen, die zur Routine geworden waren, denn seine Gedanken wanderten zurück zum verlassenen Haus.
    Conrad Schielin war in seinem Büro und überprüfte die Daten, die sie hatten ermitteln können. Namen, Adressen, Autokennzeichen. Am Klingelschild hatte nur Kohn gestanden. Das Auto war auf Gundolf Kohn zugelassen. Die Datenbank des Einwohnermeldeamtes gab für die Adresse einen Gundolf Kohn und seine Frau Carmen, geborene Lasalle, aus. Er hielt kurz inne, schrieb dann ebenfalls einen Bericht und schickte ihn an die Kollegen von der Uniform, denn die Kripo hatte mit dem Fall nichts zu tun. Ein Ehepaar war seit ein, zwei Tagen nicht mehr gesehen worden. Der Mann hieß Gundolf Kohn, war fünfundfünfzig Jahre alt und arbeitete selbstständig als Buchbinder und Restaurator. Seine Frau war einige Jahre jünger und hieß Carmen Lasalle. Im Haus waren keinerlei Spuren erkennbar, die Anhaltspunkte für ein kriminelles Geschehen nahelegten. Das war der Sachstand.
    Gerade als er den Bericht per Mail verschickt hatte,
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