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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein
Autoren: Jakob Maria Soedher
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kam Lydia herein. Sie wirkte frisch, denn der Schießkeller, in dem sie den halben Nachmittag verbracht hatte, war der allerletzte Winkel, den die Hitze erreichen konnte. Er erzählte ihr von dem Haus zwischen Hoyren und Heimesreutin. Sie hörte still zu, während sie die Pistole sorgfältig reinigte und meinte lapidar: »Wir werden sehen.«

    Schielins Heimweg mit dem Rad gestaltete sich so lange passabel, wie es die Ludwig-Kick-Straße hinabging. Die durch das Rollen bewirkte Brise schaffte eine Illusion von Kühle, bis sein Weg gleich nach dem Kreisverkehr anzusteigen begann. Es folgte die Plage mit einer kaum wahrzunehmenden Steigung entlang der Reutiner Straße bis zum Köchlin, dann die Qual über den steilen Motzacher Weg nach oben. Endlich angekommen, wartete er eine Weile vor dem Haus, bis der Schweißfluss nachließ und ging gemächlich hinüber zur Weide. Die Friesen standen bewegungslos, mit gesenkten Häuptern am Rande hohen Buschwerks, das den Waldrand auflockerte. Ronsard hatte sich auch heute wieder von den Pferden ein Stück abgesondert und verharrte unter dem alten Birnbaum. Seine Mehlschnauze war hoch erhoben und wenn sich sein Kopf auch nicht regte, so konnte Schielin an den sich nachstellenden Ohren erkennen, dass er bereits im Visier seines Esels war. Als Schielin sich schließlich an den Weidezaun lehnte, trabte Ronsard heran, ließ sich die Nase kraulen und blieb still vor Schielin stehen. Der griff tief in das schwarze, lockige Fell. Immer noch konnte er seine Gedanken nicht von diesem verwunschenen Haus lösen. Wo mochte das Ehepaar Kohn jetzt sein? So recht wurde er seine getrübte Stimmung auch bei Ronsard nicht los. Und obschon er sich bemühte, diese Gemütslage nicht mit ins Haus zu nehmen, gelang ihm dies nur leidlich. Marja kannte ihn zu lange, um nicht zu merken, dass etwas nicht stimmig war. Sie sprach ihn aber nicht darauf an.
    Laura und Lena verschwanden, völlig unbeeindruckt von der Hitze, gleich nach dem Abendbrot in Richtung Bösenreutin. Das Heiberfest stand bevor und sie wollten beim Aufbauen helfen, wobei sich der Begriff helfen darauf bezog, dort herumzuhängen und den Burschen der Freiwilligen Feuerwehr Bösenreutin beim Arbeiten zuzusehen. Schielin erzählte Marja beim abendlichen Glas Wein vom einsamen Haus und dem verschwundenen Ehepaar.
    *
    In der Nacht plagten ihn Träume und er fand nicht den rechten Weg in den Schlaf. Im Stillen gab er der Hitze die Schuld. Alles an und um ihn, auch noch so dünnes Leinen, war zu warm, zu schwer, war ihm lästig. Im Grunde aber wusste er, dass nicht alleine die Hitze Schuld trug. Drei Uhr war vorbei, als er aufstand und nach unten ging. Mit einem Glas Wasser setzte er sich ins Wohnzimmer und suchte den Träumen des bisherigen Halbschlafs zu entkommen. Er erschrak zutiefst, als das Telefon klingelte, verschüttete fast das Wasser. Die Suche nach dem verfluchten Mobiltelefon und der Ärger darüber, es nicht sofort zu finden, brachten ihm die Wachheit. Das hatte man von diesen elenden mobilen Teilen nun, dass man das Telefon nie fand, wenn es denn klingelte. Eine seiner beiden Töchter hatte es, wie immer, irgendwo liegen lassen. Wo hatte er es nicht schon gefunden … Wer immer es war, der ihn gerade anrief – er hatte Geduld. Endlich den Hörer in den Händen, lauschte er ins dunkle Haus, ob jemand vom Klingeln wach geworden war. Nichts regte sich, was ihn etwas beruhigte. Er meldete sich mit halblauter Stimme: »Schielin.«
    Ein Kollege der Polizeiinspektion war am anderen Ende, der weder eine Erklärung, schon gar keine Entschuldigung für den Anruf zu dieser Zeit hören ließ. Er kam nach einem gemurmelten Gruß gleich zur Sache. »Du hast doch die Sache mit dem Haus bei Heimesreutin aufgenommen heute«, lautete seine Feststellung.
    »Was ist?«, fragte Schielin unfreundlich.
    »Also, die Streife sollte ja da am Haus vorbeifahren. Das haben die auch gemacht und stehen jetzt da draußen vorm Haus.«
    »Ja, und warum stehen sie da?«
    »Da ist jetzt jemand drinnen.«
    Schielins Stimme wurde giftig. »Ja, ist das Ehepaar Kohn denn wieder zurück?«
    »Das eher nicht. Ist wohl jemand mit einer Taschenlampe unterwegs. Du solltest vor Ort sein, eine Besatzung von der Fahndung fährt auch noch mit an. In deinem Bericht steht ja, du hättest einen Schlüssel für das Haus.«
    Schielin legte auf, ohne geantwortet zu haben. Wenige Minuten später war er auf menschenleeren Straßen unterwegs. Schattenwelt. Am Himmel breitete sich ein
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