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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein
Autoren: Jakob Maria Soedher
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bestätigte zu wissen, wohin sie fahren mussten – ein Ort zwischen Hoyren und Heimesreutin. Funk nahm den Weg über Hoyren, bog in den Tobelweg ein und brachte sie in eine von buckligen Hügeln eng gemachte Landschaft, die man so nahe am Seeufer nicht erwartet hätte. Alles breitete sich auf tiefgrünem Boden aus, durchzogen von dunklen Waldflecken und Streuobstwiesen. Sanfte Kuppen lagen in Nachbarschaft von steilen Hügeln, und auf kurzen kantigen Anstiegen weideten Kühe, manchmal Schafe oder Ziegen. Dazwischen Häuser, alte Stadel, moderne Architektur – es war schön. Die Wege waren schmal und windeten sich in engen Kurven durch diesen romantischen Flecken Land.
    Robert Funk fuhr langsam und kontrollierte die Hausnummern. Lange mussten sie nicht suchen, dann standen sie vor dem gesuchten Anwesen, dem vorletzten Haus in einer Reihe und am Ende eines Kopfweges. Es war ein zweistöckiges Gebäude, dessen Giebelseite mit Holz verkleidet war, wie viele der älteren Wohnhäuser hier. Die mattgrünen Fensterläden wirkten heimelig. Ein Holzzaun trennte das Anwesen von Weg und Nachbargrundstück ab. Das Holzgatter, das die Zufahrt zum Haus sperren sollte, stand offen. Funk bog scharf nach links ein und fuhr die wenigen Meter hinan, wo Besucher vom Garten in Empfang genommen wurden. Lilienbüsche warfen ihre orangen und gelben Farbpunkte in das Licht. Dazwischen standen die kunstvoll geflochtenen Stängelreste von Osterglocken und Narzissen. Links prahlten dichte, hohe Büsche, aus denen Spatzengezeter drang, und rechter Seite überzogen Staudenbeete die leicht schräge Fläche bis zur Hauswand. An dieser rankten Rosen bis zu den Fenstern des ersten Stocks.
    »Sympathie«, sagte Funk.
    »Wie?«, fragte Schielin.
    »Sympathie«, wiederholte Funk und wies auf einen Rosenstock am Hauseck, der voller Knospen hing. Einige wenige Blüten leuchteten schon in munterstem Liebesrot. »So heißt die Rose und die da hinten heißt Sweet Juliet. Ist ein richtig kuscheliges Hexenhäuschen hier. Sehr gepflegt, schaut wirklich gut aus.«
    Hinten am Haus, im Schatten eines ausladenden Ahorns, war die Garage zu sehen. Das Tor war geöffnet und gab den Blick auf das Auto frei. Hinter der Garage lag eine Wiese, die zum Nachbargrundstück hin anstieg. Einige Obstbäume und Büsche lockerten das Grundstück auf und nur der Giebel des Nachbarhauses lugte über den Rangen.
    Die beiden stiegen aus. Schielin schnaufte. Das künstliche Klima im Fahrzeug täuschte über die Realität im Freien hinweg. Auch hier war nichts mehr von einem Windhauch zu spüren und die Hitze hatte sich nun mit der Feuchtigkeit verbündet. Schielin und Funk traten in eine schwül-warme Wand, die ihnen einige Sekunden abforderte, sich an die schwere Luft zu gewöhnen, die man mehr kauen statt atmen musste. Sie sahen sich um und warteten, ob jemand käme. Das Knirschen der Autoreifen in der Kiesauffahrt war laut genug gewesen, um es im Haus zu hören, aus dem nichts als Stille drang. Um sie herum blieb es ruhig. Nur vereinzelt war Vogelgezwitscher zu hören und auch dies klang nicht frisch, sondern eher wie eine auf das Notwendigste beschränkte Kommunikation. Vielleicht waren aber gerade auch nur Vogelehepaare unterwegs.

    Hinter dem Staudenbeet begrenzte der Holzzaun das Nachbargrundstück. Weder Büsche noch Hecken hinderten den Blick. Nur einige Mahonien und Forsythien lockerten den Grenzverlauf. Funk sah zu Schielin und zuckte mit den Schultern. Sah eigentlich alles ganz normal und unauffällig aus.
    Er ging in Richtung Garage davon.
    Schielin nahm die andere Richtung und querte auf einem Pfad aus Rindenmulch die Staudenbeete zum Zaun hin. Irgendetwas hatte sich da drüben bewegt. Kurz bevor er am Zaun anlangte, stellte ihn eine scharfe Stimme.
    »Hallo!?«
    Er blieb stehen und ortete die Stelle, von wo der durchdringende Schall gekommen war. Es kam aus dem Flecken, wo buschartiges Chinagras in die Höhe schoss.
    Gleich darauf raschelte es und zwischen den dicken Halmen tauchte eine Frau auf. Er war sich sofort sicher, dass sie es gewesen war, die vorhin angerufen hatte.
    Sie hob leicht den Kopf und sah ihn misstrauisch an. »Von der Polizei?«
    Schielin bejahte mit einem Nicken während er auf sie zuging. Sie hatte glatte graue Haare, deren Schnitt, da war sich Schielin sicher, seit Kindertagen der gleiche war. Forschende dunkle Augen blickten ihn an. Auf ihrem Gesicht lag eine sanfte, gesunde Bräune, welche die Falten weicher erscheinen ließ. Es war ein
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