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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein
Autoren: Jakob Maria Soedher
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zusammen mit Funk nach Wasserburg gefahren, der sich dort die aufgebrochene Tür an der Segelschule ansehen wollte. Auch eine der schmalen Seitenscheiben an der Nordseite war eingeschlagen. Der Aushängekasten war heil geblieben. Es war nichts gestohlen worden. Was blieb, waren der Ärger, der Schaden und die Aufregung, die es für die Betroffenen mit sich brachte. Da sich die Angelegenheit in kriminalistischer Hinsicht nicht problematisch darstellte und Schielins Unterstützung somit nicht erforderlich war, hatte dieser es sich an einem der Tische auf der Terrasse des Gästehauses gleich nebenan gemütlich gemacht. Von der leicht erhöhten Stelle blickte er über den Segelhafen und folgte mit den Augen den Booten, die vor der Halbinsel Wasserburg kreuzten. In seinem Rücken erhob sich der Zwiebelturm der Wasserburger Kirche. Es war Nachmittag, die Sonne stand hoch und eine leichte Brise machte das Dasein angenehm. Willig präsentierte man ihr die blanke Haut an Hals, Armen und Gesicht.
    Drüben, am Ufersaum, brachen hölzerne Badeschuppen auf Holzpfählen und Bootshäuser die vom Grün der Bäume dominierte Uferlinie auf. Vor dem Horizont lagen die Lindauer Insel und dahinter der Pfänder, der von hier breit und mächtig erschien und dessen Funkmast sich wie ein mahnender Zeigefinger in den Himmel reckte.
    Von nebenan hörte Schielin die beruhigend wirkende Stimme seines Kollegen, der letzte Formalitäten erledigte.
    Schielins Blick galt im Moment einem Segelboot weit weg auf dem See. Es zog in gleichmäßigem Lauf Richtung Lindau dahin, als hinge es an einem unsichtbaren Seil. Mit einem Mal gewahrte Schielin, wie das Boot an Fahrt verlor, wie die Segel erschlafften und nach einem kurzen Zittern des Vorsegels in sich zusammensanken. Wenige Sekunden später spürte er, was er draußen schon verfolgt hatte. Das zarte Spiel des Windes um Haare, Kopf und Arme erlosch und aus dem Unsichtbaren walzte ein heißer Brodem heran. Schielin neigte den Kopf und lauschte mit halb geschlossenen Augen hinaus. Für einen Augenblick war es so, als hielte die Welt den Atem an, als erstürben mit dem Verlust des Windes jegliche Geräusche und jegliches Leben – in einem Grab aus drückend heißer Luft, die alles und alle umgab. Der Körper, der doch nur ruhend am Ufer saß, reagierte sofort und bildete in einem ersten Verteidigungsakt einen feinen Film auf der Haut. Schielin stand auf und sah sich nach Funk um. Mit dem Wind waren auch die Leichtigkeit verschwunden, die Unbeschwertheit und die Sorglosigkeit.
    Als ob etwas geschehen wäre, in der friedlichen Welt am See.

    Die Klimaanlage im Audi surrte und pfiff, als sie nach Lindau zurückfuhren, wo der Tag im schattigen Büro beendet werden sollte. Kurz vor den Stadtschildern verfolgten sie einen schmalen Dialog am Funk. Die Einsatzzentrale forderte eine Streife für Lindau an, doch war gerade keine verfügbar. Die einen meldeten eine Unfallbearbeitung am Berliner Ring, die sich aufgrund von Sprachproblemen schwierig gestaltete. Eine andere Besatzung hatte mit einem Betrunkenen zu tun, der unter unerschütterlicher Anwendung körperlicher Kraft gegen Sachen und Kollegen versuchte in seine Wohnung zu kommen, wie er behauptete, und sich durch nichts davon überzeugen ließ, dass er sich im falschen Haus befand. Eine Streife der Fahndung schleierte irgendwo bei Memmingen auf der A7 herum und die Ermittler waren gerade im Weißensberger Wald unterwegs. Schon wieder hatte ein Anrufer ein Feuer gemeldet, das in der Nacht zu sehen gewesen sein soll. Seit einiger Zeit ging das schon so mit diesen nächtlichen Feuerscheinen. Bisher war nichts geschehen, kein Brand, doch man musste der Sache nachgehen – Feuer war und blieb eine teuflische Sache. Soweit Schielin darüber wusste, hatte man bisher nichts finden können. Die Beschreibungen der Örtlichkeit waren zu vage.
    Er erbarmte sich schließlich, griff den Funkhörer und übernahm den Auftrag, bei dem es sich eh nur um reine Routine handelte. Außerdem konnte man so Bonuspunkte bei den Trachtlern von gegenüber sammeln. Wie der Funksprecher kurz erklärte, hatte sich eine Frau gemeldet, die sich um ihre Nachbarn sorgte. Im Wesentlichen ging es darum dorthin zu fahren, Präsenz zu zeigen, ein ernstes Gesicht zu machen und für Beruhigung zu sorgen. Es war ja schön, dass es so etwas noch gab – dass Menschen einander nicht egal waren.
    Als die Adresse durch den Lautsprecher schnarrte, sah Schielin kurz zu Funk, der durch ein stummes Nicken
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