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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat
Autoren: Ludwig Tieck
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Wunder! rief Friedrich!
    Junger Mensch, sagte der blasse Alte, der Ihr Euch gar zu gern verwundert, – es gibt gar kein Wunder; alles, was geschieht, geschieht ganz natürlich, einfach, wenn auch nicht alltäglich, nach notwendigen Gesetzen, wenn auch unsern dummen oder verwöhnten Sinnen nicht immer begreiflich. Sollte die Luft nicht das älteste Element sein? In der Schrift scheint es wenigstens vor dem Licht das Majorat zu haben. Die Erde war im Anbeginn bloß hart, wüst, unbrauchbar, vielleicht wie jener Mondstein, nur im Großen; Licht war nicht, die Luft, die zarte, bewegliche, sich dehnende, ziehende, belebende und tiefatmende, hatte wohl auch damals, vor dem Anfange der Zeiten, den starren Klumpen, im Schreck über die werdende Schöpfung ausgestoßen. Die Wasser bewegten sich, die immer eins und dasselbe Gemüt mit der Luft sind, nur im andern Kleide. Mit dem neuen Spielgenossen, Licht, fing nun erst recht das sonderbare Hantieren an. Da wurde dem starren Erdklumpen so zugeredet, geliebkost, er ward gedrückt, gewiegt, geschüttelt, verkehrt und bekehrt, daß er es sich denn gefallen ließ, aus seinem starren Wesen nachgiebig und durch all das wunderliche Wesen gerührt, die Gartenerde in sich zu zerbröckeln, und so den Bäumen, Gräsern, Halmen und Blumen den mütterlichen Boden anzuweisen. Aber die alten Träume und Tücken kamen wieder; aus den Launen brachen von unten aus der Tiefe die Gebirge hervor, und strebten und wuchsen hinauf, um Wald und Wiese zu beschämen und zu verhöhnen; aber die Liebe kletterte nach, und hing ihre grünen Kränze fast bis in die gerunzelte, weiße, verdrießliche Stirn der Alpen hinein; zurückgeschreckt blieb das Grün in scheuer Entfernung, aber die heitere Luft gab den ernsten, blendenden Schnee, und die muntern, kindischen Quellen, die beredsamen Bäche, die mutigen Ströme tanzten doch oben um den Alten her, der keinen Spaß verstehen und von keiner Liebe was hören wollte. Wer steht uns denn dafür, daß nicht damals auch die Luft, in welcher sich alles gebärt, auch Steine, Berge, Gebirge niedergeworfen hat, um jenen harten Launen und scharfen Einfällen der Erde entgegenzukommen? Die Luft zieht das Wasser, das als Regen niederfällt; alles Wasser kann Dunst, Wolke, Luft werden; alle Nebel, Wolkenmassen, und auch die klarste, blaueste Luft, kann, angesteckt, angerührt, durch die Umstände persuadiert, zu Wasser werden. Warum denn nicht zu Stein? Nun, hinauf muß es rieseln, herunter muß es grieseln; fügen muß sich's, und dann ist es wenigstens ebenso natürlich und begreiflich, als daß die Pflanze in der Erde aus dem verfaulten Keime wächst. Ja, es kann geschehen, wenn sich der Himmel so verhärtet, daß einmal eine turmhohe Kruste herunterfällt, und Städte, Wälder, ja ganze Länder zudeckt. Weil die uralten Ungezogenheiten und groben Späße der Elemente und ihrer Geister aufgehört haben, weil das Volk wohlerzogen scheint, muß es darum immer so bleiben? Vielleicht schlummern sie, vielleicht sind sie bei der Mama in der Putzstube in feiner, artiger Gesellschaft, und schneuzen höchstens einmal mit einem kleinen Trompetenton die Nase. Aber sie können wohl wieder einmal ins Bengelhafte geraten, und nicht darauf achten, ob sie die neuen Manschetten und Halskrausen zerreißen. Die uralten Geister, die auf Pension sitzen, fabeln gewiß, unsre sanfte, geregelte Welt sei der Untergang der Welt, und die Erde nichts Besseres als ein Käse, den Millionen Würmer und Maden durchfressen und zermürbt haben. Geht für uns die Welt unter, so munkeln sie wohl, nun finge die wahre Schöpfung erst wieder an, und die alte Ordnung würde wiederhergestellt. Essen wir, trinken wir, solange etwas da ist und wir noch Zähne haben, von denen mir die meisten fehlen; respektieren wir die Luft, wie ich gesagt habe, und bedenken, daß, wenn es nach meinem Glauben Luftgebirge gibt, die Menschen nicht völlig zu verachten sind, die auf Luftschlösser rechnen und sie zu bauen suchen. – Alles jedoch sei mit Vergunst meines großen Meisters gesagt und seiner höhern Einsicht unterworfen. –
    Friedrich lachte laut; doch dessen Vater blieb ernsthaft und sagte dann: Meister Labitte, alles, was man von Euch erzählt, sowie das, was ich jetzt von Euch gehört habe, ist höchst sonderbar. Es scheint, daß Ihr das meiste in der Welt aus einem andern Gesichtspunkt betrachtet, als die übrigen Menschen.
    Geehrter Herr, erwiderte Labitte, indem sich sein bleiches Antlitz zu einem
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