Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat
Autoren: Ludwig Tieck
Vom Netzwerk:
übertriebenen Lächeln verzog, das ist meine Art so; wie ich mich etwas krumm halten muß, von Alter und Schwäche, wie ich übertrieben mager bin, wie mein Bart nur dünn und mein weniges Haupthaar fast ganz ausgefallen ist, wie ich eine beinahe zu lange Nase habe, und meine Lippen beim Sprechen und Schweigen in ihrer Blässe immerdar zittern, so ist es auch mit meinem Geist, meiner Sprache und meiner Art mich auszudrücken, beschaffen. Glaubt mir nur, die menschlichen Gedanken sind wie das Wetter. Oft ist es recht blau und hell in mir, aber wenn ich eben an etwas anderes als an die Gedanken denke, so weiß ich es selber nicht, daß ich nachdenkliche Sachen und weise Sentenzen von mir gebe; erzählen mir nach einigen Tagen meine jungen Freunde davon, so erbaue ich mich selbst an meinen Aussprüchen und lerne viel aus ihnen. Dann kommen dichte Wolken und Hagelschauer und verfinstern meine Seele. Drinnen kochen und gären dann wieder zukünftige Gedanken, und wenn ich gerade bei Laune bin, sehe ich selber diesem tollen Wesen zu. Ach! Sonnenschein! Freunde! das ist etwas Großes! Wer hat ihn immer? Und könnte ihn immer brauchen, wenn es uns auch vergönnt wäre? –
    Ja, dann, in diesen herrlichen Momenten, bin ich wirklich sehr gescheit, und nicht nur klüger wie die andern Menschen, sondern ich übertreffe mich sogar selbst. Ich habe es oft gesagt, ich hätte es zu etwas Außerordentlichem gebracht, auch in meiner Kunst, wenn es nicht ein Ding mir unmöglich gemacht hätte, und zwar etwas recht Erbärmliches, was die Menschen eine Kleinigkeit nennen, und die es doch wahrlich nicht ist. Aber blind und verworren bleiben sie freilich immer in ihren Bestrebungen.
    Und das ist? fragte lächelnd Catharina. Schade ist es doch immer, daß Ihr nicht so vortrefflich geworden seid, wie es Euch, Euren Aussagen gemäß, so nahe lag.
    Spottet nur! rief der Alte, Ihr bleibt doch mein Liebchen, und die holdseligste Kreatur, die ich jemals gekannt habe. Um Euch aber die Sache deutlich zu machen, muß ich Euch erzählen, daß ich, wenn mich die Toren auch oft ketzerisch nennen, eine viel zu große Ehrfurcht vor dem Schöpfer, und eine so innige, liebevolle Anbetung seiner Herrlichkeit habe, daß ich dem Gesellen, der ihm gegenüber arbeitet, nicht die Macht und ungeheure Wirkung und Furchtbarkeit zutrauen kann, die ihm die unwissende Menge, aus abergläubischer Angst vor ihrer eigenen Torheit, zuschreiben will. Durch kleine Erbärmlichkeiten macht sich dieser Geist Luft, und hindert freilich auch durch diese das Große und Edle. Wenn ich so recht mit meinem Geiste einverstanden bin und ihm zuhöre, in der Sabbatstille meines ausgeklärten Gemütes immer schönere und feinere Gedanken und Bilder aufsteigen, wenn ich dann mein Sein und Fühlen ausstrecke, weiter, immer weiter, und ich schaue und weiß, jetzt ist das Rechte und Beste unterwegs, und wird gleich in die aufgeräumte Putzstube meiner Seele anlangen – brtsch! ist alles weg, denn ich muß niesen; wenigstens einmal, oft auch in drei Repetitionen. Der Moment nimmt mir das Bewußtsein, ich bin auf einen Augenblick nicht mehr als ein Pfahl oder Stock, – und, wie nüchtern, arm, düster, jammervoll ist es nachher in meinem Innern; alles, was glänzte, liegt wie altes, widerwärtiges Getrödel in einer Polterkammer durcheinander, mit Staub und Spinnweben überzogen, so daß ich keinen der Fetzen, die eben noch Gedanken und Entzückungen waren, aus dem Gerümpel hervorlangen mag, um mir nicht die Hände meines kümmerlichen Bewußtseins zu beschmutzen. Denn meine Dummheit ist wenigstens noch besser als das Denken und Anschauen, was ich jetzt treiben könnte. So ist es mir auch immer beim Malen ergangen. Ich habe mir mehr wie einmal eingebildet, wenn ich vor meiner Tafel saß, ich könnte die Werke meines Freundes Johann, des von Eyck, erreichen; ich war selig in der Arbeit, die Farben wurden immer glänzender, die Mienen immer heller und menschlicher, – nun kommt mit eins jenes verdammte Niesen, aus ist alles, tot; wenn ich die Augen wieder brauchen kann, stehn Fratzen und schmierige Ölflecke auf dem Holze, und alle Anmut ist in dieses hineingeschlagen; ich sehe im Pinsel, den ich noch eben in Freude fliegen ließ, nur einen Teil des unsaubern Schweines, von dem er genommen ist. Das hat immerdar mein Leben verkümmert. So weiß ich nun schon, streckt einmal der Geist sich in mir so aus, daß ich nahe daran bin, die Bande zu zerreißen, so werde ich augenblicklich niesen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher