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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat
Autoren: Ludwig Tieck
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– und oft, wenn ich zerstreut bin und an gar nichts denke, so weiß ich am Niesen, wenn es mich befällt, daß soeben in meinem Innern der Festkuchen gebacken wurde, um dem verlornen Sohn in Prozession entgegenzugehen. Nun fällt Kuchen und Kalb, Sohn und Vater, Sünder und Gerechter zugleich in den Brunnen. Man kann wohl auch fragen, ob es nicht selbst so feine, geistige Wahrnehmungen gibt, die ohne weiteres, wie ein zu scharfes Licht, auf die Nase wirken, und sie zum innerlichen Krampfe zwingen. Es kommt aber auf dasselbe hinaus, ob ich es physisch, ob geistig betrachte. Diese Gedanken sind mir einmal nicht gegönnt; statt im Gehirne eine höhere Stelle zu suchen, rennen sie abwärts und erlöschen in jenem Kitzel, der in einem Ton ausbricht, welcher aller Musik sich durchaus feindlich entgegenstellt. – Daß der Fliegengott, Beelzebub, dem Denker und Andächtigen oft eine Fliege sendet, um ihn zu stören und zu empören, das haben selbst fromme Theologen eingesehen und ausgesagt.
    Guter, lieber Schwätzer, sagte der alte Ritter, indem er ihm die Hand gab, gehe es Euch recht wohl in den letzten Jahren Eures Lebens, und möge diese krause Laune Euch nie verlassen. Was Eure Zunge bei diesen Erzählungen allein verschuldet, wieviel aus Eurem Herzen kommt, das möchte schwer zu unterscheiden sein.
    Er beurlaubte sich von der Wirtin und der übrigen Gesellschaft. Er versteht dich nicht, sagte Friedrich, der gute Vater. Er meint, alles Denken müsse immer geradeaus gehen. Er ist auch kein Freund der Dichtkunst. Deine Gedichte kennt er gar nicht.

Ja, ja, sagte der Maler, die Menschen sind seltsam. Immer nur geradeaus denken! Nicht singen mögen! Meine Gedichte nicht kennen! Wir haben Schlund, Hals, Gaumen, Lippen, Zähne. Es zeigt sich deutlich der Gebrauch von allem, ob der erste, notwendigste der beste, wer kann es sagen? Wir sollen schlingen, kauen, essen, und außerdem vernünftig mit allem diesen Handwerkzeuge sprechen. Gut, wir tun es auch alle. Aber, wenn nun Gaum und Zunge den liebevoll geistigen Wein auf die feine wundersüchtige Problerwaage legt? Und züngelt, schleckert, lippelt, und der Schlund auch zur Zunge wird? Wenn das schon mit bei der Schöpfung ausbedungen ist, wie ich doch glaube, warum soll Kauen des Brotes und Schlucken des Wassers oder Bieres rechtgläubiger sein? Die Lippen schon prüfen den Wein, die Nase riecht seine Geister ahndend, und Gefühl, stummes, ist mehr als Auge und Ohr. Statt zu sprechen, singt nun gar das Maul. Es soll nichts Vernünftiges, Nutzbares oder Erbauliches, sondern eben nur Gesang werden, der ebensohoch über das nüchterne Reden steht, wie der heitere Rausch über die Sättigung des Durstes. Und wer unter den Sterblichen hat denn den unnützen, widersinnigen, ganz vernunftwidrigen Kuß erfunden? Da treten die Lippen nun vollends aus Reih und Glied, und das Auge glänzt vor Freude, daß ein Druck mehr ist als Vernunft, Licht, Gesang, Poesie und Philosophie; daß nur durch das Maul das Maulen auf die süßeste Art in sprachlose Freude übergehen kann. Ja, Menschenkinder, es ist euch viel gegönnt, daß das Lippenwesen so fein über den Zähnen aufgeliebelt ist. Und dann noch das Lächeln als Zugabe. – Seht! seht nur Frau Catharinen an, und die jungen Mädchenkinder dort! Möchte man nicht die ganze Seele zwischen die Mündchen und die Lippenröte legen, daß sie dort in Liebe gewiegt würde, und als der holdseligste Gedanke aufblähen könnte?
    Er stand auf und küßte nach der Reihe Catharinen, die Mädchen und die alten Frauen. Friedrich sah seinem Beginnen so eifrig zu, als wenn er den Wunsch und die Absicht habe, seine Freiheit nachzuahmen; doch ein strenger Blick Catharinens nahm ihm den Mut.
    Die Gesellschaft wendete sich wieder zum Gesange und zur Musik. – Nicht wahr, sagte Labitte nach einiger Zeit: ihr seht doch auch alle die kleinen Geister von allen Farben, rot, weiß, gelb, blau und scheckig, die in der Luft auf den Tönen, wie auf ausgespannten Seilen, tanzen und springen? Und da oben sitzen andre mit ehrbaren Gesichtern und in weiten Gewändern, und nicken gar ernsthaft und schlagen den Takt, um das tolle Unwesen in Ordnung zu halten. So ist es immer. Der Unsinn hat nichts zu bedeuten, und ist weder toll noch erfreulich, wenn nicht Sinn und Vernunft die Aufsicht über ihn führen, und seine Rasereien bedeutsam machen. So herrscht auch in diesem Wirrwarr der Takt, die Töne schwingen in Melodie um: und kein Schmied, kein Schiffbaumeister kann seine
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