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Hexenmacht

Hexenmacht

Titel: Hexenmacht
Autoren: Alfred Bekker
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Rituale, die aus diesem Buch stammen."
    "Und?", fragte ich.
    "Nichts. Allerdings war mir ein Fall aus der Presse in Erinnerung. In Kenia benutzte ein Geisterseher Strohpuppen, um mit Verstorbenen in Kontakt zu treten – ganz ähnlich wie Lady Jennifer Blanchard es mit den Wachsfiguren praktizierte. Ein Missionar wollte beweisen, dass jener Geisterseher ein Scharlatan sei, indem er ihn dazu veranlasste, den Geist eines Mannes zu beschwören, der nie existiert hatte."
    Ich sah Tante Lizzy mit weit aufgerissenen Augen an.
    "Was ist geschehen?", fragte ich.
    "Der Geisterseher starb, so als wäre seine Seele ins Jenseits gerissen worden und hätte den Körper leblos zurückgelassen." Tante Lizzy kramte in ihren Unterlagen herum. Dann hatte sie ein vergilbtes Stück Zeitungspapier in der Hand und hielt es mir hin. Ein Ausschnitt aus einer Ausgabe der >Mombasa Chronicle<. Oben auf der Seite war das Datum zu sehen: 2.5.1949.
    "Die Geschichte ist schon etwas länger her", meinte Tante Lizzy. "Damals gehörte Kenia noch zum Empire." Sie stellte sich neben mich und deutete dann auf eine bestimmte Passage. "Lies dir das mal durch Patti. Da steht, dass noch lange das Gerücht umging, der Geisterseher sei nicht wirklich tot. Seine Seele sei vielmehr anstelle jenes Geistes, den er vergeblich rief, in die Strohpuppe gezogen worden. Zeugen berichteten von seltsamen Erscheinungen. Der durchsichtige Astralleib des Geistersehers wurde unter anderem auch von einer irischen Nonne gesehen, die nun wirklich alles andere als eine Anhängerin irgendeines Geisterglaubens war. Diese Erscheinungen hörten erst auf, nachdem die Strohpuppe vernichtet wurde."
    Jetzt mischte sich Steve ein. "Sie meinen, dies könnte auf ähnliche Weise auch bei Lady Jennifer Blanchard der Fall sein, Mrs. Gormic?"
    "Können wir es ausschließen?", antwortete Tante Lizzy mit einer Gegenfrage.
    Ich sah Tante Lizzy an.
    "Natürlich", murmelte ich dann.
    "Schließlich hat auch dieser Michael John Leary, dessen Geist Lady Jennifer Blanchard beschwören sollte, niemals existiert!"
    Steve ergänzte: "Vermutlich hat uns diese Tatsache damals das Leben gerettet!"
    Tante Lizzy nickte.
    "Das ist gut möglich."
    Ich ließ mich in einen der Sessel fallen. Mir war ein wenig schwindelig. Das Geschehen aus meinem Traum stand mir zum wiederholten Male vor Augen.
    Aber diesmal war es anders. Diesmal erschien mir alles wieder so real wie in jener Nacht, als ich diesen Traum gesehen hatte.
    Ich erlebte eine Tagtraumvision – hier und jetzt!
    Ich ging wieder durch das düstere Gewölbe, in der Hand die Kerze, deren schwacher Schein die fratzenhaften Drachengesichter auf den Möbeln beleuchtete.
    Und dann war da auch wieder die reglose Gestalt.
    Mein Puls schlug mir bis zum Hals.
    Ich hob die Kerze.
    Der warme, flackernde Schein fiel in das Gesicht...
    Ich hab's es geahnt, durchzuckte es mich wie ein Blitz. Ich hab es die ganze Zeit über geahnt...
    "Was ist los, Patti?", fragte Steve. "Ist dir nicht gut?"
    "Lassen Sie sie", hörte ich Tante Lizzy sagen. "Es ist alles in Ordnung mit ihr!"
    Das Gesicht!
    Es stand deutlich vor meinem inneren Auge.
    Unzweifelhaft waren es die Züge jener Wachsfigur, die Michael John Leary hatten darstellen sollen. Ich erkannte sie sofort wieder.
    Die Züge eines Mannes, der nie gelebt hatte.
     
    *
     
    Wir trafen uns mit John Wu in einem kleinen, sehr unscheinbaren Lokal in der Nähe des Piccadilly Circus. John wartete bereits auf uns.
    Wir setzten uns zu ihm,. Immer wieder wandte er den Kopf. Befürchtete er, beschattet zu werden?
    John Wu atmete tief durch.
    "Ist Ihnen jemand gefolgt?"
    "Nein", sagte ich.
    "Sind Sie sicher?"
    "So sicher, wie man nur sein kann."
    John Wu seufzte. Einen Augenblick lang schien er zu überlegen, wie er beginnen sollte.
    "Sie haben den Brief dabei?", fragte er dann und setzte erklärend hinzu: "Den Brief an Mr. Davis in New York."
    Steve holte ihn aus der Jackentasche, schaute mich kurz an und schob dann das Couvert über den Tisch.
    "Sie wissen gut Bescheid"; stellte Steve fest.
    "Mag schon sein", wisperte die dünne Stimme des Hongkong-Chinesen.
    Er zog das Schriftstück sehr vorsichtig aus dem Umschlag und entfaltete es. Er las die wenigen Zeilen und nickte, so als hätte er in diesem Augenblick über irgend etwas Gewissheit erhalten.
    John Wu hob den Kopf.
    "Mein Vater hat Ihnen gegenüber behauptet, nichts mit diesem Brief zu tun zu haben, nicht wahr?"
    "Ja", sagte ich. "Aber woher...?"
    Er hob die Hand und brachte mich
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