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Hexenmacht

Hexenmacht

Titel: Hexenmacht
Autoren: Alfred Bekker
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ging weiter und Sir Gilbert atmete auf. Er wollte jetzt niemanden um sich haben. Mit zwei schnellen Handgriffen hatte er die Rollos seines Abteils heruntergezogen, so dass man vom Flur aus nicht mehr hineinsehen konnte.
    Vielleicht habe ich es jetzt überstanden!, dachte er bei sich, während er etwas nervös auf und ab ging. Und dann fiel ihm ein, dass er sich noch nicht überlegt hatte, was er tun sollte, sobald er in London angelangt war.
    Er hatte keinerlei Pläne.
    Einzig und allein der Gedanke, dass er so schnell und so weit wie möglich weg musste, beherrschte ihn. Er hatte seine Kreditkarten in der Innentasche seines Jacketts. Geld würde zunächst für ihn kein Problem sein. Warum nicht einfach einen Flieger nach Kanada oder Australien nehmen?, ging es ihm durch den Kopf. Je weiter weg, desto besser. Am besten, er nahm das erste Flugzeug, das einen Platz für ihn frei hatte...
    Und dann?
    Eins nach dem anderen!, sagte er sich. Er konnte jetzt keine großen Pläne machen. Er war noch am Leben - mehr konnte er nicht verlangen.
    Und das war bereits erstaunlich genug, wenn man an den schauderhaften Verfolger dachte, der hinter ihm her war.
    Keine Macht der Welt konnte Sir Gilbert vor ihm schützen und insgeheim wusste der Landadlige aus Cornwall, dass seine Flucht eine hoffnungslose Sache war.
    An der Abteiltür klopfte es.
    "Ja?", fragte Sir Gilbert wie automatisch, während ihm gleichzeitig die Knie zitterten.
    War es der Schaffner? Oder kam der sommersprossige Mittdreißiger zurück, weil er doch nirgendwo anders einen freien Platz gefunden hatte?
    Oder...
    Sir Gilbert wagte dies nicht einmal zu Ende zu denken.
    Die Tür ging auf und es war, als ob ein eiskalter Atem hereinblasen würde, ein eisiger Hauch, der binnen eines Augenaufschlags das gesamte Abteil zu erfüllen schien. Sir Gilbert fühlte, wie eine Gänsehaut seinen Körper überzog.
    Starr vor Schreck blickte Sir Gilbert auf die hoch aufragende, breitschultrige Gestalt, die in der Tür stand.
    Die Gestalt sah aus wie ein Seemann.
    Der dunkle Mantel wirkte abgetragen, die Schirmmütze etwas fleckig.
    Das Gesicht war bleich und von unzähligen Falten durchzogen. Ein hartes, kantiges Männergesicht, das einerseits so wirkte, als sei es vom Wetter gegerbt worden, das aber andererseits von einer ungesunden Blässe war.
    Der Mund mit den dünnen, aufgesprungenen Lippen war zunächst ein gerader Strich, dann verzog er sich leicht, wie zu einem halb höhnischen, halb triumphalen Lächeln.
    "Nein!", flüsterte Sir Gilbert mit fast tonloser Stimme.
    "Nein..." Er fühlte sich so entsetzlich kraftlos, so als hätte eine geheimnisvolle Macht ihm von einem Augenblick zum anderen den letzten Rest an Energie und Überlebenswillen geraubt...
    Eine grausame Erkenntnis stieg in ihm auf.
    Es ist zu Ende!, ging es ihm durch den Kopf, während sich seine Augen fast unnatürlich weiteten.
    "Niemand kann seinem Schicksal entgehen, Gilbert Goram", wisperte der bleiche Fremde indessen. "Wussten Sie das nicht? Haben Sie es nicht wenigstens geahnt?"
    "Ich will nicht..."
    Sir Gilbert kam nicht mehr dazu, den Satz zu vollenden. Der Düstere schloss die Abteiltür hinter sich und trat einen Schritt auf Sir Gilbert zu. Schon in der nächsten Sekunde wurde Sir Gilbert von einer knorrigen Hand am Arm gepackt, einer Hand, von der eine schier unmenschliche Kälte auszugehen schien.
    Gleichzeitig fühlte Sir Gilbert, wie der frostige Atem des Fremden ihn anblies.
    Der kalte Hauch des Todes ließ Sir Gilberts Blick noch im selben Moment zu einer Maske reinen Entsetzens gefrieren.
     
    *
     
    "Nicht einschlafen, Patricia", sagte Jim und lachte mich dabei herausfordernd an. Ich hatte das Gähnen einfach nicht unterdrücken können.
    Wir hatten eine anstrengende Bahnfahrt von Glasgow nach London hinter uns und waren hundemüde.
    In Glasgow hatten wir Stella Jordan, eine alternde Filmdiva, in ihrer Villa besucht. Die London Express News, jene Zeitung, bei der ich als Reporterin und Jim als Fotograf angestellt waren, plante eine große Reportage über die Jordan. Einen Teil des Textes hatte ich bereits während der Fahrt mit dem Nachtzug in die Tasten meines Laptops gehackt, den Rest würde ich schreiben, sobald ich ein paar Stunden geschlafen hatte und wieder im Vollbesitz meiner Kräfte war.
    Natürlich ging es bei der Sache um Zeit, so wie meistens in unserer Branche. Auch andere Blätter würden in nächster Zeit Geschichten über die Jordan bringen, spätestens wenn ihr neuester Film in
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