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Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Roswitha Hedrun
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nicht nur die Farbnuancen, sondern auch die Markenbezeichnung."
Er tat es und rief aus: "Bellwillfarben! Das erste Mal, dass ich Bellwillfarben in den Händen halte. Also, darauf bin ich gespannt, sie sollen fein wie Seide sein."
Nach und nach holte er die Dosen heraus und stapelte sie, nach Farbtönen sortiert, vor sich auf den Tisch. Dann betrachtete er diese Kostbarkeiten, wobei sich sein Gesicht vor Freude rötete. "Wie seid Ihr bloß an diese Raritäten gelangt?", wollte er wissen und beantwortete sich dann selbst die Frage: "Richtig, Lukas kommt ja aus Südtirol." Dann stutzte er und stellte Lukas gleich drauf die unangenehme Frage: "Bellwill, bist du verwandt mit diesem Unternehmer?"
Lukas stockte die Sprache, doch Alphonse kam ihm zur Hilfe: "Si, sind wir, aber wir haben Unstimmigkeiten mit diesen Leuten."
Darauf ging der Maestro taktvoll ein: "In welcher Familie gibt es die nicht!"
Er schaute bereits in die zweite Tasche, wozu Alphonse ihm erklärte, dies seien Kleingeräte zur Herstellung von Temperafarben sowie die dazu notwendigen Rohsubstanzen. Lukas sei nämlich gelernter Farblaborant, nicht nur -hersteller, sondern -laborant, was fundierte Alchimiekenntnisse erfordere.
"Grandioso", staunte der Maestro darüber. "Hab ich's nicht gesagt? Lukas ist eine Bereicherung für unsere Bottega."
Über diese Äußerung lächelte Alphonse zufrieden.
Dann fiel sein Gesicht zusammen. Seine Mission war erfüllt. Er wird von hier aus zurück nach Belleville reisen. Um sich von dieser Tatsache nicht zu sehr berühren zu lassen, erhob er sich plötzlich mit den Worten: "Zeit für mich zum Gehen", und reichte dem Maestro zum Abschied die Hand.
Lukas wollte seinen Zio hinaus begleiten, der aber schüttelte verneinend den Kopf, umfasste Lukas' Oberarme und wünschte ihm mit bewegter Stimme: "Mach's gut, mein Junge!"
"Arrivederci, Zio Alphonse! Und danke für alles!"
Noch ein knappes Kopfnicken, dann wandte sich Alphonse abrupt zur Tür und eilte durch den Hofgarten zu seiner Kutsche. Lukas schaute ihm mit verhangen Blick nach, wissend, dass etliche Monde vergehen werden, ehe er ihn wieder sieht.
Als schließlich zu hören war, dass die Kutsche den Plattenweg hinab zur Straße fuhr, sprach der Maestro Lukas vorsichtig an: "Schmerzt ein wenig, wie?"
"Schon, aber wird sich legen."
"Wir beschleunigen das", schlug der Maestro vor. "Wir werden jetzt gemeinsam deine Geräte und Substanzen vor ins Atelier tragen, ganz vor bis neben die Eingangstür. Dort nämlich lagern unsere Malvorräte, und dort bauen wir sie dann auf dem großen Arbeitstisch auf. Va bene?"
"Va bene, Maestro."

Kapitel 2 • Ab Herbst 1490

     
    Ausgleichsmechanismus für die Freigabe einer Feder
    Seit fünf Monden lebte Lukas mittlerweile in Mailand, ohne von seinen Eltern entdeckt worden zu sein. Zwar überlud Meister Rodder Alphonse mit Galle speienden Schimpfbriefen, in denen er ihm vorwarf, sein unmündiges Kind zur Flucht verleitet zu haben, weshalb er, Alphonse, auch dessen Aufenthaltsort kennen müsse. Doch Alphonse stellte sich ahnungslos.
Indessen war Lukas in der da Vinci-Bottega nichts mehr fremd. Weder der lockere Umgangston der Künstler und Domestiken, noch der Tagesablauf. Bei all den vielen Aufträgen, die der Maestro zu erfüllen hatte - im Sforzapalast, in der Gießerei, im Bildhauer-, Mal- und in seinem Privatatelier - hatte er dennoch ein stetes Auge auf seine Garzoni. Selbst auf ihre Freizeit achtete er, indem er ihnen vorschrieb, welche Veranstaltungen und Einrichtungen sie aufsuchen sollten und welche sie zu meiden hatten.
War der Maestro abwesend, was häufig vorkam, vertrat ihn sein vierzigjähriger Artista Bernardino de' Conti. Der machte seinem Vornamen alle Ehre, er war gemütlich und dickleibig wie ein Bernhardiner und dabei so gutmütig, dass ihn die Garzoni mit Leichtigkeit hätten hintergehen können, wozu es sie bislang jedoch noch nie getrieben hatte. Der zweite fest in der Bottega beschäftigte Artista, Giovanni Boltraffio, war nur drei Jahre älter als Lukas und stellte bereits heute so manchen erfahrenen Artista in den Schatten.
Neben Bernardino und Giovanni sah man hier auch häufig einen oder mehrere der drei sympathischen Gastkünstler an ihren Staffeleien sitzen. Sie gehörten zwar ebenfalls der da Vinci-Bottega an, arbeiteten aber nur sporadisch hier, in der Hoffnung, von Maestro Leonardos überragendem Können ein wenig zu profitieren. Es waren Ambrogio Preda, Marco d'Oggiono und Antonello da Messina.
Zu den Aufgaben
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