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Hexenblut

Hexenblut

Titel: Hexenblut
Autoren: Neil White
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du, das habe ich mir gewünscht, als ich hergezogen bin?«
    Ich atmete tief durch. »Tut mir leid.« Dann stellte ich den Wasserkessel weg und streckte die Arme aus, um Laura an mich zu ziehen. »Das war nicht gegen dich gerichtet. Ich weiß, dass es für dich noch schwieriger ist als für mich.«
    »Du hast nicht die geringste Ahnung, wie es für mich ist«, widersprach sie mir wütend und wich meiner Berührung aus. »Ich bin diejenige, die alles aufgegeben hat. Ich bin mit dir in den Norden gezogen, zusammen mit meinem Sohn, um hier ein neues Leben zu beginnen. Oh, warte, das stimmt so ja gar nicht. Ich bin allein deinetwegen in den Norden gezogen, und manchmal frage ich mich, ob das wirklich so klug war oder ob wir nicht besser in London geblieben wären, wo ich nicht jedes Mal die Märtyrernummer erleben müsste, wenn mal nicht alles so glatt läuft.«
    Ich schaute zur Decke. Zu oft schon hatten wir diese Diskussion geführt, aber ich wusste, es lag eigentlich nicht an uns. Wir verstanden uns gut in den ruhigen Augenblicken, wenn wir den Sorgerechtsstreit um Bobby für ein paar Stunden vergessen und uns entspannen konnten. Das Problem war nur, dass diese Augenblicke immer seltener wurden.
    »Hör zu, es ist okay«, sagte ich schließlich. »Sam sprach davon, dass er eine Story für mich hat.« Als Laura daraufhin unverändert argwöhnisch dreinschaute, fügte ich an: »Es wird gar nichts dahinterstecken. Irgendein unspektakulärer Tipp von jemandem oder etwas in dieser Art.«
    »Und warum hast du das nicht gleich gesagt?«, fragte sie, machte kehrt und ließ mich in der Küche stehen.
    Ich seufzte schwer. Die gute Laune, in die mich der Spaziergang versetzt hatte, war längst wieder verflogen. Wie hatte es nur wieder so weit kommen können? Und das so schnell?
    Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück und sah, dass sie Bobbys Schultasche packte. Der Kleine schwieg und aß langsam sein Frühstück. Er hatte das alles schon bei seinem Vater – Lauras Exmann – durchmachen müssen, und er hatte wirklich etwas Besseres verdient. Er war ein wundervoller Junge, gerade mal sechs Jahre alt, der von Laura die Intelligenz und von Geoff die Körpergröße geerbt hatte.
    Wie um alles in der Welt verhinderte man, dass einem Kind wehgetan wurde?
    Ich wusste, es lag eigentlich nicht an uns, sondern an dieser verfahrenen Situation. Lauras Ex wollte den Jungen zurück in den Süden, nach London holen. Er behauptete, das sei besser für Bobby, weil Lauras Polizeiarbeit angeblich ein chaotisches Familienleben mit sich brachte. In Wahrheit ging es dabei gar nicht um ihren gemeinsamen Sohn, sondern um mich, den neuen Mann in Lauras Leben. Den Mann, der Laura glücklich machte, der sie dazu gebracht hatte, ihre Karriere bei der Londoner Polizei aufzugeben und stattdessen als Detective im nahe gelegenen Blackley zu arbeiten. Und so kam es, dass wir alle zwei Wochen Richtung Birmingham fuhren, wo Bobby auf einem Rastplatz seinem Vater übergeben wurde. Während der Rückfahrt sprach Laura kein Wort und wirkte erst wieder glücklich, wenn wir den Kleinen zwei Tage später abholen durften.
    Mit Bobbys Tasche in der Hand sah Laura mich an, und ich bemühte mich um ein Lächeln.
    »Beeil dich, Bobby«, sagte sie und wandte sich von mir ab. »Iss dein Frühstück auf, wir müssen los.«

3
    I nspector Rod Lucas klopfte seine schäbige braune Cordhose ab, warf die Fahrertür seines ramponierten alten Landrover zu und blickte sich um.
    Das Cottage sah exakt so aus, wie er es erwartet hatte. Wie die meisten Häuser im Schatten des Pendle Hill war es ein Stück von der Straße zurückgesetzt, die dunkelgrauen Mauersteine hoben sich von der grünen Wiese dahinter ab, und das mit Schindeln aus Schiefer gedeckte Dach ragte weit über die Hauswand nach unten.
    Sein Blick wanderte zum Hügel, dessen kahler, öder Gipfel ihn schaudern ließ. Er zog die alte Wachstuchjacke über und drehte sich um, in Gedanken bei Abigail Hobbs, die noch immer im Krankenhaus lag. Sie hatte Verbrennungen im Gesicht, und die Stelle am Hinterkopf, mit der sie auf den Steinboden geschlagen war, war mit mehreren Stichen genäht worden. Er wusste, es waren nicht die körperlichen Wunden, die ihr die schlimmsten Schmerzen bereiten würden, sondern die psychischen, die noch lange nachwirken würden.
    Die zwei Constables an der Tür strafften die Schultern, als er sich ihnen näherte. Beide waren junge Frauen, die die Hände in den Taschen ihrer leuchtend grünen Jacken vergraben
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