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Heuchler

Heuchler

Titel: Heuchler
Autoren: Mark Franley
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keinen Sinn mehr hatte, weiter zu diskutieren. Wenn diese Anweisung wirklich von oberster Stelle kam, konnte auch Karl nichts daran ändern. Er stand ebenfalls auf und folgte seinem Chef schweigend durch die Gänge des Präsidiums.

»Also gut, und wie geht es nun weiter?«, fragte Mike gepresst, nachdem sie sich einen großen Pott Kaffee geholt und einen Platz an der Fensterreihe gesucht hatten. Die Kantine war jetzt, nach der Mittagszeit, so gut wie leer. Nur Henrik, ihr Computerexperte, saß zwei Tische weiter, war aber derart in ein Fachbuch vertieft, dass er überhaupt nicht mitbekam, was um ihn herum passierte.
Karl nippte ein wenig an der dampfenden Flüssigkeit, setzte sich dann bequemer hin und begann: »Die Spurensicherung ist noch nicht fertig, aber wir können mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ihr den Haupttatort entdeckt habt. Wir gehen davon aus, dass dort alle Kinder misshandelt und getötet wurden.« Dann senkte Karl die Stimme: »Und wie du selbst gesehen hast, waren es mehr Opfer, als wir bisher Leichen haben.«
Nach einem kurzen Schweigen fragte Mike: »Wie viele? Ich habe siebzehn gesehen.«
»Einundzwanzig Haarbüschel …«, antwortete Karl, »… und der Junge, den ihr …«. Er wollte es nicht aussprechen.
»Gottverdammte Scheiße!« Mike fuhr sich mir den Händen über das Gesicht. »Wie gestört ist dieser Typ?« Nach einer weiteren Pause fragte er: »Hat die Nachtsichtkamera etwas ergeben? Das Ding lief doch sicher über Funk oder über das Internet und lässt sich bestimmt nachverfolgen.«
Karl nickte zu Henrik hinüber: »Er ist gerade dabei, dies herauszufinden. Die Kamera war tatsächlich ans Internet gekoppelt, aber offensichtlich so gekonnt, dass es bis jetzt kaum Spuren gibt.«
Mike sah mit finsterer Miene aus dem Fenster, wo die Sonne ein friedliches Bild der Stadt zeichnete. »Ich muss diesen Irren finden! Du musst mir den Fall lassen!«
Karl schüttelte kaum merklich den Kopf: »Mike, ich kann das nicht tun! Der Polizeichef hat bereits zwei Spezialisten von Interpol geordert, sie werden morgen eintreffen. Und er will, dass Peter und du Abstand zu der Sache bekommt und erst einmal freinehmt … freiwillig oder befohlen.« Karl sah Mike offen an: »Pfingsten steht vor der Tür! Warum schnappst du dir nicht deine Familie und ihr verreist für ein paar Tage. Ich habe mir deine Überstunden angesehen und mich gefragt, ob dich deine Kinder überhaupt noch kennen.«
»Nach alldem soll ich Urlaub machen?«, keifte Mike etwas zu laut, was Henrik dazu brachte, kurz den Blick von seinen Unterlagen zu nehmen und ihm zuzunicken.
»Genau das!«, erwiderte Karl. »Such dir ein schönes Ferienhaus, weit weg von diesem Wahnsinn, und entspann dich. Ich bin mir sicher, dass Petra und die Kinder begeistert wären!«
Während Mike von seinem Kaffee trank, dachte er kurz darüber nach. Vor einer halben Stunde wäre es ihm noch völlig absurd vorgekommen, gerade jetzt in den Urlaub zu fahren. Doch so langsam nahm dieser Gedanke Gestalt an. »Und was ist mit Peter?«, fragte er etwas versöhnlicher.
»Was soll mit Peter sein?« Karl sah ihn fragend an. »Ich denke, heute Abend ist er auf jeden Fall wieder wach und ansprechbar. Fahr hin und rede mit ihm, mehr kannst du sowieso nicht tun. Wie du dir denken kannst, ist auch er aus dem Fall raus, und nach dem, was passiert ist, wird er eine Weile brauchen, um überhaupt wieder arbeiten zu können.«
Noch einmal blickte Mike in den stahlblauen Himmel, dann atmete er kurz durch: »Also gut, ich denke, du hast recht! Ich fahre jetzt dann zu Peter, schreibe morgen meinen Bericht und mache dann über Pfingsten Urlaub.«
»Wo?«, fragte Karl, dem die Einsicht seines Freundes nicht geheuer war.
Mike brachte ein Lächeln zustande: »Hast du Angst, dass ich alleine losziehe?« Er sah Karl in die Augen: »Mir gefällt deine Idee mit dem Ferienhaus! Ich werde nachher mal kurz ins Netz schauen, ob sich so kurzfristig noch etwas Bezahlbares findet.«
Karl sah ihn mit einem milden Gesichtsausdruck an: »Glaub mir, es tut dir und euch gut!«
     

– 3 –
     
     
    Nachdem Mike wieder in seinem Büro angekommen war, suchte er die Nummer des Klinikums heraus und griff zum Telefon. Überraschenderweise wurde dort schon nach dem zweiten Klingeln abgehoben, und als wäre dies nicht schon ein kleines Wunder, meldete sich eine gut gelaunte und sehr auskunftsfreudige Schwester. Ohne jede Legitimation erfuhr er, dass man Peter noch einmal ruhig stellen musste und er nicht
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