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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss
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Polizeiwache wissen? Von wem sollte sie erfahren haben, dass die Gardai sie als eine vor Trauer geistesgestörte Frau mit Wahnvorstellungen abgeschrieben hatten, wenn nicht von Liam? Woher hatte Jax vom Selbstmord ihrer Mutter und den fünf Ehen ihrer Schwester gewusst? Und dass Devon sie immer Mommy nannte? All diese Dinge hatte sie nur Liam anvertraut. Genauso wie sie allein ihm erzählt hatte, dass sie Devon angeschrien hatte, weil sie an die Wand gekritzelt und nicht richtig Klavier geübt hatte.
    »Du glaubst, es war meine Idee?« Sein Blick schweifte durch den Raum. »Du glaubst, ich bin hier der große kriminelle Mastermind? Hältst du mich wirklich für so clever?« Er machte einen weiteren Schritt nach vorn. »Komm schon, Marcy. Gib mir die Pistole.«
    »Hältst du mich wirklich für so blöd?«, fragte Marcy zurück.
    »Marcy …«
    »Bitte zwing mich nicht, dich zu erschießen.«
    »Mich erschießen? Komm schon. Das ist doch verrückt.«
    »Ja, ich bin sicher, du hast dein Bestes gegeben, die Gardai davon zu überzeugen, dass ich mit dem Sprung, den ich in der Schüssel habe, jeden Polterabend schmeißen könnte.« Sie lachte und dachte an Judith.
    »Polterabend? Weißt du eigentlich, was du da sagst?«, fragte Liam, als wäre sie jetzt komplett von Sinnen. Wenn Marcy die Augen schloss, konnte sie beinahe Peter hören. Der einzige Unterschied war der irische Akzent. »Nun komm schon, Marcy. Leg die Waffe weg. Du bist hysterisch. Du weißt nicht, was du redest.«
    Mein Gott, dachte Marcy, einen Moment lang abgelenkt vom durchdringenden Geheul einer Sirene. War es möglich, dass sie sich irrte? Hatte Liam doch die Polizei alarmiert?
    Im selben Moment stürzte Liam sich auf sie, entwand ihr die Pistole und stieß sie zu Boden. Sie stolperte über Jax’ Leiche und rollte Richtung Kamin. »Nimm das Baby«, hörte sie Liam rufen.
    Marcy beobachtete, wie Audrey Caitlin aus ihrem Karton riss und, dicht gefolgt von Liam, zur Hintertür rannte. Marcy rappelte sich auf die Füße und schnappte sich den Schürhaken neben dem Kamin. Was zum Teufel hatte sie damit vor?
    Nicht lange nachdenken. Einfach ganz locker aus der Hüfte schwingen , hörte sie Sarahs Ermahnung.
    Nicht lange nachdenken, wiederholte sie stumm und dann laut: »Einfach locker aus der Hüfte schwingen.«
    Sie holte aus, hörte das Surren in der Luft und spürte, wie der Schürhaken Liams Rücken traf. Er wurde nach vorn geschleudert, ließ die Waffe fallen und sank zu Boden. Marcy nahm die Pistole, sprang über seinen reglosen Körper und folgte Audrey nach draußen, wo ihr der Wind ins Gesicht schlug wie ein feuchtes Handtuch. Die Polizeisirenen kamen näher und mischten sich mit Caitlins wütenden Schreien. Marcy spähte hektisch durch den Nebel, bis sie Audrey den steilen Hang hinunterlaufen sah. Über den unebenen Boden stolpernd nahm sie die Verfolgung auf. In der Ferne konnte sie mindestens ein halbes Dutzend Streifenwagen ausmachen, die die gewundene Straße hinaufkamen. »Audrey«, rief sie. »Bleiben Sie stehen! Die Gardai sind hier. Sie können nicht entkommen.«
    Audrey trat noch näher an die Klippe, sodass ihr langes Haar um ihr Gesicht flatterte und die oberflächliche Ähnlichkeit zu Devon betonte.
    »Geben Sie auf«, erklärte Marcy ihr über die tosende Brandung hinweg. Obwohl sie keine drei Meter voneinander entfernt standen, musste sie schreien, um sich verständlich zu machen.
    »Einen Schritt weiter und bye-bye, Baby.« Audrey streckte den Arm aus und hielt den zappelnden Säugling über den Abgrund.
    Marcy stellte sich vor, wie ihre Mutter sich Sekunden vor dem tödlichen Sprung gefühlt haben musste, sah sie im freien Fall durch die Luft auf den Asphalt in der Tiefe zutrudeln. »Geben Sie mir die Kleine«, flehte Marcy. »Dann haben Sie zumindest eine Chance zu entkommen.«
    »Und was glauben Sie, wie groß die ist?«, fragte Audrey. »Glauben Sie, ich könnte mich einfach in Luft auflösen?«
    »Vielleicht.«
    »Wie Ihre Tochter?«
    Tränen brannten in Marcys Augen. »Meine Tochter ist nicht verschwunden«, gestand sie sich die Wahrheit zum ersten Mal ein. Ihre Mutter und ihre Tochter waren Kehrseiten derselben tragischen Münze, dachte sie. »Sie ist tot.«
    »Ich dachte, das glauben Sie nicht.«
    »Ich wollte es nicht glauben.«
    »Ach ja? Ich sag Ihnen was«, rief Audrey, als hinter ihnen Bremsen kreischten und Türen zugeschlagen wurden. »Ich schlag Ihnen einen Deal vor – das Baby für die Pistole. Was meinen
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