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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss
Autoren: authors_sort
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Möbel oder elektrischen Geräte, nichts, was einen Raum vom nächsten unterschied. Nur nackte Steinmauern und schmutzige Fußböden. »Immer dem Gebrüll nach«, sagte Jax ominös, als sie durch eine Tür nach der anderen gingen und der Qualmgeruch schwerer und beißender und das Geschrei mit jedem Schritt lauter wurde. Das flackernde Licht des Feuers funkelte wie eine Discokugel, die nichts beleuchtete. »Ziehen Sie den Kopf ein«, warnte Jax sie, seine Hand auf ihrem Kopf, und stieß sie in das nächste Zimmer.
    Als Erstes sah Marcy die schattenhafte Gestalt einer jungen Frau, die in dem ansonsten leeren Raum auf einem Stuhl mit hoher Lehne saß, als Zweites die Strähnen ihres rotblonden Haars, die in ihre kleinen verängstigten Augen fielen. Als Nächstes erkannte sie den Knebel in ihrem Mund und das dicke Seil, mit dem sie an den Stuhl gefesselt war.
    »O mein Gott, Shannon!«
    »Schnauze«, fauchte Jax und brachte sie mit einem weiteren Stoß zum Schweigen.
    In diesem Moment sah sie das Baby, das zwischen Shannons gefesselten Füßen und dem Kamin in einem Karton lag. Sein Gesicht war tränenüberströmt und glänzte wie ein leuchtend roter Ballon im fahlen Schein des Feuers, das fast bis auf die Glut heruntergebrannt war und kaum Licht und noch weniger Wärme spendete.
    »Herrgott, das Geplärre ist ja nicht zum Aushalten«, rief Jax, schüttelte entnervt den Kopf und raufte sich das braune lockige Haar.
    »Das hat lange genug gedauert«, erklärte eine Stimme aus dem Schatten.
    Marcys Blick schoss in die Richtung, ihr Herz pochte, und ihre Knie wurden weich. Sie sah nichts. »Devon?«, flüsterte sie, doch das Wort ging im durchdringenden Geschrei des Babys unter.
    »Ich hab euch schon vor einer Stunde erwartet.«
    »Hast du gesehen, was da draußen los ist? Außerdem brauchte deine Ma einen Boxenstopp«, sagte Jax höhnisch, und Marcy musste sich mit den Zehen an den Boden klammern, um nicht umzufallen.
    »Devon«, sagte Marcy noch einmal lauter.
    »Sie möchte lieber Audrey genannt werden«, informierte Jax sie.
    »Was ist los, Mommy?«, fragte die Stimme provozierend. »Du scheinst ja nicht besonders glücklich zu sein.«
    Marcy drehte sich hilflos im Kreis. »Wo bist du?«, flehte sie und suchte die nackten grauen Wände ab. »Bitte, mein Baby, zeig dich.«
    »Ich bin nicht dein Baby.« Die Stimme war flach und voller allzu vertrauter Verachtung.
    Allmählich gewöhnten Marcys Augen sich an das düstere Licht. Sie konnte jetzt deutlicher erkennen, dass das verängstigte, an den Stuhl gefesselte Mädchen Shannon war, die fast unmerklich die Füße bewegte und versuchte, sich zu befreien. Sie las den flehenden Blick des Mädchens, der zu dem großen Schürhaken zuckte, der am Kamin lehnte, und dann zu einer Tür auf der anderen Seite des Raumes.
    »Bitte lass dich ansehen«, bat Marcy leise und sehnte sich mit jeder Faser ihres Körpers danach, ihre Tochter in die Arme zu schließen. Selbst jetzt noch, dachte sie, trotz der beinahe surrealen Szene vor ihren Augen. Trotz Devons Beteiligung daran. Trotz allem.
    »Du siehst mich, wenn ich dazu bereit bin.«
    »Ich will dich nur in den Arm nehmen.«
    »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«
    »Warum nicht? Was ist hier los? In was bist du geraten?«
    »Oh, ich denke, die Antwort darauf weißt du schon. Oder nicht, Mommy? Ich hab gehört, du hast den Gardai eine Wahnsinnsstory erzählt. Die denken, du bist total übergeschnappt.« Sie lachte. »Und das passt uns ehrlich gesagt ziemlich gut in den Plan.«
    »Welchen Plan?«, fragte Marcy. An der Wand tanzte ein Schatten, als langes Haar geschüttelt wurde.
    »Willst du die Details hören? Sie werden dir nicht gefallen.«
    »Ich denke, so viel bist du mir mindestens schuldig.«
    »Ich bin dir überhaupt nichts schuldig.«
    »Hör mal«, sagte Jax ungeduldig. »Wir vergeuden nur unsere Zeit. Wir haben das Geld. Warum erschießen wie sie nicht einfach und verschwinden?«
    Durch ihren Knebel stieß Shannon einen gedämpften Schrei aus. Ihre verzweifelten Bemühungen, sich zu befreien, wurden offensichtlicher. Sie begann hektisch mit ihrem Stuhl vor und zurück zu wippen.
    Eine ferne Erinnerung schoss durch Marcys Gedanken – eine Kleiderschranktür, die geöffnet und geschlossen, geöffnet und geschlossen und wieder geöffnet und geschlossen wurde –, als Audrey entschlossen in die Mitte des Raumes trat. Die langen dunklen Haare hingen ihr immer noch ins Gesicht, sodass es nicht genau zu sehen war,
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