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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss
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Bewohnern Corks, wie spät es ist, die Fahne auf der Spitze, wie das Wetter wird.« Im selben Moment ertönte ein Glockenspiel, das die Umstehenden mit offenem Mund staunen ließ. »Das sind unsere berühmten acht Shandon-Glocken«, sagte der Führer stolz. »Wie Ihnen bestimmt schon aufgefallen ist, sind sie den ganzen Tag überall in der Stadt zu hören. Und wenn Sie den Turm besteigen, können Sie sogar selbst darauf spielen, jede Melodie, die Sie wollen, obwohl die meisten Leute sich entweder für ›Danny Boy‹ oder für ›Ave Maria‹ entscheiden.« Er atmete tief ein. »Okay, dreißig Minuten für die Besichtigung der Kirche, danach geht es rüber zum Patrick’s Hill, damit Sie selbst erleben, wie steil die Gassen dort sind. Amerikaner sagen, sie könnten es mit den berüchtigten Straßen von San Francisco aufnehmen.«
    »Was ist mit denjenigen, für die der Aufstieg zu beschwerlich ist?«, fragte eine ältere Frau, die weiter hinten stand.
    »Für heute hab ich genug von Kirchen«, murmelte der Mann neben ihr. »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich könnte ein Pint Guinness vertragen.«
    »Für diejenigen unter Ihnen, die genug gesehen haben und sich vor der Weiterfahrt lieber ein wenig ausruhen und entspannen wollen, herrscht in der Umgebung kein Mangel an Pubs. Obwohl man die Einheimischen dort eher bei einem Murphy’s oder einem Beamish antreffen wird, zwei Dunkelbiere, die hier in Cork gebraut werden.«
    »Klingt gut«, meinte irgendjemand.
    »Wir treffen uns in einer Stunde am Busbahnhof Parnell Place«, verkündete der Führer. »Bitte seien Sie pünktlich, sonst bleibt uns am Ende womöglich nicht genug Zeit, auf der Rückfahrt nach Dublin das berühmte Blarney Castle zu besichtigen. Und Sie wollen doch sicher alle den berühmten Blarney Stone küssen, oder?«
    Nein, das wollten sie auf keinen Fall, dachte Marcy und erinnerte sich an Peters Ekel bei der Vorstellung, wie eine Fledermaus an den Füßen kopfüber herabgelassen zu werden, um »einen schmutzigen, bakterienverseuchten grauen Stein zu küssen, der mit dem Speichel anderer Leute beschmiert war«, wie er sich so denkwürdig ausgedrückt hatte, als sie ihm die Prospekte zum ersten Mal gezeigt hatte. »Warum sollte jemand, der halbwegs bei Verstand ist, so etwas tun wollen?«, hatte er vorwurfsvoll gefragt.
    Marcy hatte gelächelt und geschwiegen. Peter hatte schon vor einiger Zeit aufgehört zu glauben, dass sie halbwegs bei Verstand war.
    War das nicht der Grund gewesen, warum sie überhaupt beschlossen hatten, diese Reise zu unternehmen? Hatten nicht alle gesagt, dass es wichtig – ja, entscheidend – für ihr seelisches Wohlbefinden wie auch ihre Ehe war, dass sie und Peter mehr Zeit miteinander verbrachten, Zeit, um das Geschehene als Einheit zu verarbeiten? War das nicht der Ausdruck, den der Psychologe benutzt hatte?
    Als ihre Schwester dann die Idee aufgebracht hatte, sie könnten ihren 25. Hochzeitstag doch mit zweiten Flitterwochen begehen, hatte Marcy sich kopfüber in die Planung gestürzt. Irland war Peters Vorschlag gewesen, weil seine Mutter aus Limerick stammte. Jahrelang hatte er davon gesprochen, eine Pilgerfahrt ins Land seiner Vorfahren zu machen. Marcy hatte anfangs für ein exotischeres Ziel wie Tahiti oder Bali plädiert, irgendwo, wo die Durchschnittstemperatur im Juli spürbar über 18 Grad lag, sie Mai Tais am Strand schlürfen und Blumen im Haar tragen konnte; im Gegensatz zu einem Land, in dem Guinness angesagt und es ständig so regnerisch und feucht war, dass sie garantiert aussehen würde, als ob gerade ein Klumpen widerspenstiges Moos auf ihrem Kopf gelandet wäre. Doch im Grunde war es egal, wohin sie fuhren, hatte sie sich gesagt, solange sie es als Einheit taten.
    Also hatten sie sich für Peters Vorschlag entschieden.
    Aber am Ende hatte Peter sich für eine ganz andere Frau entschieden.
    Galt man alleine auch noch als Einheit, fragte Marcy sich jetzt. So sehr sie die oft spektakuläre Natur der irischen Landschaft mit ihren viel gerühmten vierzig Schattierungen von Grün liebte, so sehr hasste sie das graue regnerische Wetter und die alles durchdringende Feuchtigkeit, die wie eine zweite Haut an ihr klebte.
    Er könne nicht noch mehr Drama ertragen, hatte Peter gesagt, als er ihr erklärt hatte, dass er sie verlassen wollte. Es ist besser so. Für uns beide. Du wirst bestimmt viel glücklicher sein. Hoffentlich können wir irgendwann Freunde sein . Die feigen Phrasen des Deserteurs.
    »Wir
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