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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss
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die glaubt, dass Informationen immer nützlich sind.«
    »Sie sind mein Mann«, sagte Marcy und bereute ihre Worte sofort. Sie wollte ihn auf keinen Fall ermutigen.
    Der Kellner kam mit ihren Tees.
    »Wahrscheinlich hält er uns für verrückt, weil wir in einem Pub Tee bestellen«, sagte Marcy und beobachtete, wie der attraktive junge Mann auf seinem Weg zurück zur Bar mit mehreren der Frauen flirtete, die sich auf hohen Barhockern um ihn scharten. Er füllte ein halbes Dutzend Krüge mit Bier aus dem Hahn und schob sie mit einer lässigen Handbewegung zu einer Gruppe lauter junger Männer am anderen Ende des Tresens. Seine weiblichen Fans applaudierten voller Bewunderung. Er konnte jede Frau in dem Lokal haben, dachte sie beiläufig. Sie schätzte ihn auf Anfang dreißig und fragte sich, ob ihre Tochter ihn attraktiv gefunden hätte.
    »Ehrlich gesagt haben Amerikaner falsche Vorstellungen über irische Pubs«, zog Vic sie mit seinem lockeren Bariton zurück ins Gespräch. »Es sind keine Bars, und man trifft sich hier nicht nur zum Trinken, sondern auch, um Freunde und Nachbarn zu treffen. Und viele Leute trinken Tee oder andere nichtalkoholische Getränke. Das habe ich jedenfalls in meinem Reiseführer gelesen«, fügte er einfältig hinzu und fragte dann, als Marcy weiter stumm blieb: »Woher kommen Sie?«
    »Aus Toronto«, antwortete sie pflichtschuldig.
    »Toronto ist eine wunderbare Stadt«, sagte er sofort. »Ich war ein paarmal geschäftlich dort.« Er machte eine Pause und erwartete offenbar, dass sie fragte: Wann? Was arbeiten Sie? Als sie das nicht tat, erzählte er es ihr trotzdem. »Das war vor ein paar Jahren. Ich war Fabrikant. Technischer Kleinkram.«
    »Sie sind Fabrikant für Schweinkram?«, fragte Marcy und merkte, dass sie nur mit halbem Ohr zugehört hatte.
    Vic lachte und verbesserte sie. »Kleinkram. Kleine technische Geräte, deren Namen man sich in der Regel nicht merken kann. Gadgets«, erläuterte er weiter.
    Marcy nippte an ihrem Tee und schwieg. Ich bin ein Idiot, dachte sie.
    »Ich habe die Firma letztes Jahr verkauft und bin in den Ruhestand gegangen«, berichtete er und fuhr, als das keine weiteren Fragen provozierte, fort: »Ich komme aus Chicago.«
    Marcy brachte ein mattes Lächeln zustande. Sie hatte Chicago immer gemocht. Dorthin hätte sie fahren sollen, dachte sie, als das Handy in ihrer Handtasche zu klingeln begann. Chicago hatte eine wundervolle Architektur und interessante Viertel. Und es regnete auch nicht praktisch jeden Tag.
    »Ist das Ihr Handy?«, fragte Vic.
    »Hmm? Oh. Oh «, sagte sie, fand ihr Telefon ganz unten in ihrer Handtasche und hielt es ans Ohr. »Hallo?«
    »Wo zum Teufel steckst du?«, wollte ihre Schwester wütend wissen.
    »Judith?«
    »Wo bist du gewesen? Ich habe seit einer Woche nichts mehr von dir gehört. Was ist los?«
    »Ist alles in Ordnung? Ist Darren irgendwas zugestoßen?«
    »Deinem Sohn geht es gut, Marcy«, sagte ihre Schwester, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Ungeduld zu kaschieren. »Ich mache mir Sorgen um dich. Warum hast du auf keinen meiner Anrufe reagiert?«
    »Ich habe meine Nachrichten nicht abgehört.«
    »Warum nicht, verdammt noch mal?«
    Weil ich nicht mit dir reden wollte, dachte Marcy, ohne es laut zu sagen. Judith war offensichtlich auch so schon wütend genug. Marcy stellte sich vor, wie ihre zwei Jahre ältere Schwester auf dem Marmorboden ihres neuen Luxusapartments auf und ab lief. Garantiert trug sie ihre Standarduniform bestehend aus einer schwarzen Yoga-Hose und einem passenden Top, weil sie entweder gerade mit dem Training fertig war oder gleich damit beginnen wollte. Judith verbrachte mindestens die Hälfte des Tages mit Sport – gleich morgens früh schwamm sie eine halbe Stunde, gefolgt von ein oder zwei Stunden Spinning und dann eine bis eineinhalb Stunden »Hot Yoga« am Nachmittag. Wenn ihre Zeit es erlaubte und sie in der Stimmung war, streute sie gelegentlich noch eine Pilates-Stunde ein. »Für meine innere Mitte«, wie sie erklärte, obwohl ihr Bauch schon flach und hart war wie Stahl. Wahrscheinlich knabberte sie an einer Karotte, dachte Marcy; die Ernährung ihrer Schwester bestand ausschließlich aus Sushi, rohem Gemüse und hin und wieder einem Löffel Erdnussbutter. Judith war gerade bei Ehemann Nummer fünf. Mit achtzehn hatte sie sich die Eileiter verschließen lassen, nachdem sie schon als junges Mädchen beschlossen hatte, nie eigene Kinder haben zu wollen. »Willst du das Risiko wirklich
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