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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss
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blickte misstrauisch in ihre Richtung. »Wieso tut es Ihnen leid? Sie waren es doch nicht.«
    »Es tut mir leid, dass Sie das durchmachen mussten.«
    »Ach, das war keine große Sache.«
    »Ihr Vater hat Ihre Mutter vor Ihren Augen getötet. Ich würde schon sagen, dass das schlimm ist.«
    »Tja, nun, Sie fragt aber keiner, oder?«
    »Es tut mir leid«, entschuldigte Marcy sich noch einmal.
    »Ich brauche Ihr Mitleid nicht.«
    »Es ist kein Mitleid.«
    »Na, was auch immer es ist, ich brauche es nicht.« Er schlug mit der rechten Hand wütend auf das Armaturenbrett, wodurch er die Kontrolle über das Lenkrad verlor. Der Wagen scherte nach rechts aus, holperte über ein paar Felsen und Spalten und kam schleudernd gefährlich nahe am Rand der Klippe zum Stehen. »Scheiße! Schauen Sie, was ich Ihretwegen gemacht habe«, rief Jax mit aschfahlem Gesicht, seine Stimme eine Oktave höher als normal. »Wollen Sie uns umbringen?«
    »Es tut mir leid«, sagte Marcy.
    »Herrgott, ist das alles, was Sie sagen können?«
    Marcy wollte sich erneut entschuldigen, biss sich jedoch auf die Lippe, um es sich zu verkneifen.
    »Es ist verdammt irritierend, wissen Sie das?« Die Farbe kehrte langsam in seine Wangen zurück. »Man könnte glauben, Sie wären für jedes Unglück verantwortlich, was je passiert ist.«
    »So fühle ich mich manchmal.«
    »Halten Sie sich wirklich für so verdammt mächtig?«
    Marcy hätte beinahe gelächelt. Sie hatte sich ganz im Gegenteil immer völlig ohnmächtig gefühlt. Aber vielleicht hatte er recht.
    »Apropos überlegen.« Ohne auch nur einen flüchtigen Blick nach rechts und links lenkte er den Wagen zurück auf die Straße. »Sie haben mich doch eben gefragt, ob sie je von Ihnen gesprochen hat«, sagte er, während er weiter den steilen Hang hinauffuhr.
    Marcy erkannte in der Ferne die Umrisse eines alten Bauernhauses. Brachte er sie dorthin? »Und hat sie?«
    »Sie hat mir mal erzählt, dass Sie sie angeschrien haben, als sie noch klein war, weil sie die Wände vollgekritzelt hatte.«
    Marcys Magen krampfte sich zusammen. »Daran erinnert sie sich?«
    »Sie hat gesagt, es wäre ihre früheste Erinnerung. Sie hat gesagt, sie könnte Sie immer noch schreien hören.«
    Tränen schossen in Marcys Augen und strömten über ihre Wangen. Das war schlimmer, als von der Klippe zu fallen und ins Meer zu stürzen.
    »Sie haben sie oft angeschrien, was, Marcy?«, fuhr Jax fort, der sich für das Thema zu erwärmen begann und es offensichtlich genoss, sie zum Weinen gebracht zu haben. »Das hat Audrey jedenfalls gesagt. Sie hat mir erzählt, dass Sie sie zu Klavierstunden gezwungen und jedes Mal angebrüllt haben, wenn sie falsch gespielt hat.«
    Daran erinnerte sie sich also auch.
    »Jetzt fühlen Sie sich wohl nicht mehr so überlegen, was?«
    Marcy sagte nichts.
    »Was ist los? Haben Sie Ihre Zunge verschluckt?«
    Sie fuhren schweigend weiter, das einstöckige Bauernhaus auf der Kuppe des Hügels wurde größer. Aus der Nähe wirkte es verfallen und erinnerte eher an eine Ruine als an einen Ort, an dem tatsächlich jemand wohnte. Marcy bemerkte, dass die grauen Steine von scheinbar wahllos verschiedener Größe und Form waren, die Fenster mit verwitterten Brettern vernagelt. Hier hatte seit langer Zeit kein Mensch mehr gewohnt, begriff sie, als Jax neben dem Haus hielt, aus dessen verfallenem Kamin Rauch aufstieg.
    »Sieht so aus, als hätte jemand ein Feuerchen angemacht«, verkündete Jax und öffnete die Wagentür.
    Sofort erfüllte das Geschrei eines Babys die Luft und übertönte das Heulen des Windes.
    Marcys Kopf schnellte herum.
    »Ah, die wohlklingende Stimme von Miss Caitlin O’Connor«, sagte Jax lachend.
    »Sie ist hier?«
    »Leibhaftig.«
    »Und Devon?«
    »Wo sollte sie sonst sein?« Jax kam um den Wagen, öffnete Marcys Tür und fasste ihren Ellbogen. »Ihre Handtasche können Sie im Wagen lassen«, erklärte er ihr. »Die brauchen Sie nicht.«

KAPITEL DREISSIG
    Das alte Haus war dunkel und roch wie seit Langem verlassen. Schmale Lichtstreifen fielen zwischen den dicken Brettern vor den Fenstern hindurch und mischten sich mit dem matten Schimmer des glühenden Kamins in einem der Räume, in dem sich der normalerweise gemütliche Geruch brennenden Holzes mit einem durchdringenden Fäulnisgestank vermischte. Die Schreie eines Babys erfüllten die feuchte Luft, sickerten durch die Wände und lockten Marcy näher. Im Rücken spürte sie Jax’ Hand, die sie vorwärtsschob.
    Es gab keine
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