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Herrscher der Erde

Herrscher der Erde

Titel: Herrscher der Erde
Autoren: Frank Herbert
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Erde
     
    Mirsar Wees, der Oberindoktrinator der Abteilung für Sol III, machte dem Namen Erholungszimmer, in dem er sich befand, keine Ehre. Er surrte wütend von einer Metallwand zur anderen, und seine Fußmembran machte ein Geräusch wie eine Grille, wenn die Saugnäpfe losließen.
    »Die Narren!« dachte er. »Die verdammten, unfähigen, geistlosen Narren!«
    Mirsar Wees war ein Deneber. Seine Rasse war vor mehr als drei Millionen Erdjahren auf dem vierten Planeten der Sonne Deneb entstanden, einem Planeten, der nun nicht mehr existierte. Sein Profil glich auf eigenartige Weise dem einer Frau in einem bodenlangen Kleid, wobei die Fußmembran den Boden unter dem »Kleid« berührte. Seine acht spezialisierten Extremitäten bewegten sich in einem Rhythmus, der für einen Deneber Ausdruck höchsten Zornes bedeutete. Aus seinem Mund, einem schmalen, senkrechten Schlitz, drang ein Strom von Beleidigungen, unter dem sich sein Assistent vor ihm duckte.
    »Wie ist das geschehen?« fragte er. »Ich mache meinen ersten Urlaub seit hundert Jahren, und wie ich zurückkomme, muß ich feststellen, daß deine Inkompetenz fast meine Karriere zerstört hat!«
    Mirsar Wees wandte sich um und surrte wieder zur anderen Wand. Mit seinem Augenring, dem optischen Organ, das wie ein weißer schimmernder Reif aussah, den man etwa zu zwei Drittel über seinen Kopf gezogen hatte, las er zum wiederholten Male den Bericht über den Erdbewohner Paul Marcus, während er gleichzeitig wütend seinen Untergebenen hinter sich anstarrte. Er aktivierte seine linken optischen Zellen und warf einen Blick auf die Uhr an der Wand.
    »Die Zeit ist so kurz«, murmelte er. »Wenn ich nur jemanden hätte, der eine Abweichung als solche erkennen würde! So aber muß ich mich selbst darum kümmern, ehe die Sache gröbere Formen annimmt. Wenn sie in der Zentrale davon erfahren ...«
    Mirsar Wees, der Deneber, ein Rädchen in dem die Galaxis umspannenden Imperium seiner Rasse, wirbelte auf seiner Fußmembran herum und ging durch die Tür hinaus, die sich geräuschlos vor ihm geöffnet hatte. Die Menschen, die in dieser Nacht sein flammengleiches Profil sehen sollten, würden dafür sorgen, daß man die alten Volkssagen von Geistern, Elfen und Feen nicht vergaß.
    Hätte man ihnen erlaubt, die Realität zu sehen, so hätten sie gewußt, daß es sich um einen zornigen Aufseher gehandelt hatte. Aber sie besaßen nicht das Vermögen, die Realität zu sehen. Das war ein Teil der Aufgaben von Mirsar Wees.
     
    Es lag hauptsächlich daran, daß Paul Marcus von Beruf Hypnotiseur war, daß er ein verzerrtes Bild von den Beherrschern der Erde erhaschte.
    Es geschah an dem Abend, an dem er im Roxy-Theater in Tacoma eine Vorstellung gab. Er pflanzte gerade einen posthypnotischen Befehl in das Gehirn einer Freiwilligen aus dem Publikum.
    Paul war groß und schlank und besaß ein breites Gesicht, was seinen Kopf größer erscheinen ließ, als er tatsächlich war. Seine Ausstattung bestand aus einem Frack, aus dem die blütenweißen Manschetten mit den edelsteinbesetzten Knöpfen hervorsahen, die bei jeder seiner Gesten blitzten und funkelten. Ein Scheinwerfer mit Rotlicht verlieh der Bühne ein höllisches Aussehen, das durch ein riesiges, funkelndes Augenpaar auf schwarzem Satin im Hintergrund noch verstärkt wurde. Man nannte ihn »Marcus, den Mystischen«, und so sah er auch aus.
    Die Freiwillige aus dem Publikum war eine Blondine, die Paul deswegen genommen hatte, weil sie den Anschein erweckte, überdurchschnittlich intelligent zu sein – eine allgemeine Eigenschaft von Personen, die leicht zu hypnotisieren sind. Die Frau hatte eine gute Figur, und als sie sich auf den Stuhl setzte, zeigte sie genügend viel von ihren Beinen, um aus den ersten Bankreihen Pfiffe und Rufe hervorzulocken. Sie errötete, verlor aber nicht die Fassung.
    »Wie ist Ihr Name?« fragte Paul.
    Mit tiefer Altstimme antwortete sie: »Madelyne Walker.«
    »Miß oder Mrs.?«
    »Miß.«
    Paul hob die rechte Hand, von der eine Goldkette hing, an deren Ende ein falscher Edelstein mit vielen Facetten befestigt war. Ein Scheinwerfer in den Kulissen war so darauf gerichtet, daß er aus ihm sprühende Funken schlug.
    »Sehen Sie bitte auf den Diamanten«, sagte Paul. »Halten Sie stets Ihre Augen darauf gerichtet.«
    Er begann das Schmuckstück wie ein Pendel hin und her zu bewegen. Die Blicke des Mädchens folgten der Bewegung. Paul wartete, bis sie sich genau dem Rhythmus angepaßt hatten, und begann
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