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Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Titel: Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
Autoren: Heyne
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woran er sich nie gewöhnen wird. Doch die Zahl der hungrigen Mäuler zu Hause steigt, ganz im Gegensatz zum Ertrag der Felder unten im Flachland. Und so hat er keine andere Wahl, als jedes Jahr aufs Neue hierherzukommen. Hierher ins Salz. Nur so kann er seine Familie daheim entlasten und auch noch etwas mit nach Hause bringen, was man gegen zusätzliches Getreide oder Werkzeuge eintauschen kann. Aber die Zeit hier ist auch schon wieder fast vorüber. Bald wird es zu kalt und zu eisig sein, um noch in den Berg gehen zu können.
    Stöhnend lässt er sich auf die Knie nieder, spürt, wie kleine scharfkantige Brocken schmerzhaft durch seine Hose dringen. Wenigstens einmal den Rücken durchdrücken! Er ist jetzt 30 Jahre alt, lange wird er diese Arbeit in halb gebückter Stellung nicht mehr machen können.
    Und was dann?
    Connog legt den Pickel zur Seite, zieht den ledernen Eimer näher zu sich heran und hebt mit rissigen Händen den größten der Steinsalzbrocken hinein. Diese Butte noch, und vielleicht noch die nächste, dann muss er erst einmal etwas essen. Oder vielleicht doch schon jetzt ein paar Happen …? Die Sonne draußen ist bestimmt schon über ihren höchsten Punkt hinweg. Verstohlen schielt er in Richtung seines kleinen Holzeimers, den er gleich neben seiner Fackel aus gerollter, in Harz getauchter Baumrinde in einer Felsnische abgestellt hat. Der Brei aus Buchweizen und Bohnen wird wie immer etwas salzig schmecken, von dem Staub, der selbst durch die kleinsten Ritzen dringt, aber wenigstens macht er satt bis zum Abend. Vielleicht gibt es ja dann wieder ein Stück Fleisch wie vor ein paar Tagen. Da hat der Herr, für den er und die fünf anderen das Salz schlagen, ihnen ein kleines Schaf gebracht …
    Gewaltsam reißt er sich aus seinen Gedanken, nimmt noch einen Schluck Wasser aus dem Lederschlauch und beginnt, den schweren Ledereimer Richtung Stollenausgang zu zerren. Als er das erste Tageslicht sieht, zieht er in Erwartung der kalten Luft seine Kutte enger um sich, wischt sich den Schweiß von der Stirn und drückt sich seine Zipfelmütze über die Ohren. Am Stollenausgang muss er im ersten Moment seine Augen gegen das helle Licht des eigentlich trüben Tages schließen. Dann beginnt er den Abstieg zu der Stelle, an der das gebrochene Salz gesammelt wird. Über dem See unten im Tal bilden sich schon die ersten Nebel. Oder sind es noch die Schwaden vom Morgen? Aber wer von den Bergleuten hier im Salz hat schon Zeit, sich Gedanken um Nebel zu machen?
    Connog ist einer von bis zu 500 Bergleuten, die jedes Jahr, solange es die Witterung zulässt, in den Berg steigen und das Steinsalz herausholen, dem die Region ihren Wohlstand verdankt. Salz ist über die letzten Jahre hinweg ein begehrtes Handelsgut geworden. Die Viehzucht hat im Vergleich zum Ackerbau an Bedeutung gewonnen; Fleisch ist nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern auch Handelsgut. Und außer dem Räuchern ist Salz die einzige Möglichkeit, Fleisch zur Aufbewahrung und für den Transport auch über längere Strecken hinweg haltbar zu machen. Gepökelt wird bereits seit ungefähr 1300 v. Chr., für den Eigenbedarf. Für den Handel mit Fleisch sind jetzt jedoch ganz andere Salzmengen notwendig.
    Diesen Schatz zu bergen ist in der ausgehenden Bronzezeit allerdings kein leichtes Unterfangen. Nur selten liegt das Salz an der Oberfläche, und so müssen Stollen in den Berg getrieben werden. Bis ca. 800 v. Chr. erfolgt der Abbau ausschließlich über vertikale Schächte. Ab da entsteht ein elaboriertes Schachtsystem, um den neuen Fördermengen gerecht zu werden. Der erste Teil des Stollens ist schräg angelegt, wegen der Be- und Entlüftung. Wo das Gefälle zu steil ist, wird die Neigung mit Baumstämmen überbrückt, in die Stufen eingeschlagen sind. Nach etlichen Metern geht der schräge Stollen dann in einen waagerechten über. Mit Bronzepickeln arbeiten sich die Männer in einem breiten Gang in den Berg vor, mit einer Geschwindigkeit von gerade einmal einem Meter pro Monat. Man arbeitet meist zu zweit; einer hält den Bronzepickel in Position, während der zweite mit einem schweren Hammer daraufschlägt. Das Salz wird dabei in großen Brocken mit einem Gewicht von bis zu 30 Kilo aus der Stollendecke geschlagen und in Butten aus Tierhäuten an die Oberfläche gebracht. Wobei spekuliert wird, dass aufgrund der Enge der Gänge vor allem Frauen und Kinder als Träger eingesetzt werden. Eine Weiterbearbeitung vor Ort gibt es nicht; die
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