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Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Titel: Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!
Autoren: Joshua Corin
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einen Schauer über den Rücken.
    6. Henry erschoss zuerst Kellerman. Erstens lag er näher an der Tür, außerdem zeigte sein Körper keine Anzeichen eines Kampfes. Toms hingegen schon. Henry erschoss also Kellerman zuerst, Tom reagierte, und die beiden Männer begannen zu kämpfen. Den Krankenhausberichten zufolge erlitt Tom schwere Quetschungen an seiner linken Schulter. Außerdem waren in seiner Hand einige Haargefäße geplatzt. An seinen Knöcheln oder seiner Handfläche hingegen gab es keine Blutergüsse. Tom hatte Henry also keinen Faustschlag verpasst, wobei er ihn vielleicht getreten hatte. Die geplatzten Haargefäße deuteten darauf hin, dass Tom auf etwas Hartes geschlagen hatte. Vielleicht auf eine Waffe oder gegen eine Wand oder vielleicht sogar auf Henrys Kopf. Dann erhielt er zwei Schüsse in die Brust. Eine Kugel durchdrang sein rechtes Herzkranzgefäß, die andere steckte in seiner Aorta. Als sie das Krankenhaus verlassen hatte, operierten sie gerade die Aorta. Aber er war kein junger Mann mehr …
    Esme hockte sich auf die Matte neben den Umrissen. Sie stellte die Musik ab, dann fuhr sie mit dem Finger das Klebeband nach. So viele Tote in so vielen Jahren. Tom hatte für die gesprochen, die zum Verstummen gebracht worden waren, er hatte ihren zu frühen Tod gerächt, und jetzt war er bald einer von ihnen. Wenn es einen Himmel gab, dann würde er mit Sicherheit dorthin gelangen …
    Esmes Einstellung zu einem Leben nach dem Tod war im besten Fall unklar. Glaubte sie an Gott? Ja. Irgendeine Macht musste das Universum erschaffen haben. Die Wissenschaften, die Mathematik waren viel zu schön, um ein Zufall sein zu können. Doch die Existenz eines Gottes (ein besseres Wort fiel ihr nicht ein) bedeutete nicht, dass es ein Leben nach dem Tod gab. Der Quell des Himmels war Hoffnung, und Hoffnung allein, das hatte Esme schmerzhaft am eigenen Leib erfahren müssen, änderte nichts.
    Zudem hatte sie genug mit ihren Verlassensängsten zu kämpfen, und, ja, die quälten sie heute mit aller Kraft. Natürlich ging es dabei um ihre Eltern, doch nun kam auch noch hinzu, dass ihr Ersatzvater Tom Piper sie wahrscheinlich alleinlassen würde. Ganz zu schweigen von den Problemen, die sie mit Rafe hatte. Vielleicht sollten sie zusammen verreisen, nur sie beide. Wenn das alles vorbei war, würde sie das Geld nehmen, das das FBI ihr zahlte, und ihn mit einer Reise nach Spanien oder Costa Rica oder auf die Osterinseln überraschen. Hauptsache weg von hier, nur sie beide. Sie würden das alles hinter sich lassen und reden – richtig reden. Keine Gehässigkeiten und keine Monologe, sondern ein richtiges Gespräch. Sie besaß ihre eigene Kreditkarte, also konnte sie online jede Reise buchen, die ihr gefiel, ihn damit überraschen und …
    Halt.
    Ihr Unterbewusstsein, das schon vorher Signale gesendet hatte, meldete sich nun mit noch größerer Vehemenz. Sie stand auf und rannte die Treppe hinunter. Der Aktenordner lag noch immer auf dem Tresen. Sie sah den Zeitplan durch, dann noch einmal.
    Da war es.
    Sie holte das Handy heraus und rief Assistant Director Trumbull an. Sie erzählte ihm von Henry Booths Fehler – den sie gerade erst entdeckt hatte, weil sie davor den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen hatte – und wie sie diesen Fehler nutzen würden, um Galileo zur Strecke zu bringen.
    Er hatte einfach keine andere Wahl gehabt. Er war in Kansas und wollte nach New York. Dafür hatte er den nächsten Flug nehmen müssen, entweder nach Islip zum Long Island MacArthur Airport oder nach New York zum LaGuardia Airport. Und zwar so schnell wie möglich.
    „Zuvor ist er wahrscheinlich immer mit dem Auto gefahren“, erklärte Esme. „Aber jetzt bleibt ihm nichts anderes übrig, als zu fliegen. Und Fluglinien akzeptieren ausschließlich Kreditkarten.“
    Sie erläuterte Karl Ziegler, dem FBI-Chef für Manhattan, ihren Plan. Auch wenn Assistant Director Trumbull höher im Rang war, handelte es sich um Zieglers Zuständigkeitsbereich, und Esme brauchte seine Zustimmung, bevor sie eine neue Operation starten konnte. Ziegler musste jedoch mit dem Bürgermeister (ein Cousin zweiten Grades) zu einer Abendveranstaltung, weshalb er sie erst danach hatte treffen können. Das gab Esme die Zeit, ihrem Aktenordner noch weitere Dokumente hinzuzufügen. Nachdem sie zwanzig Dollar für einen Parkplatz am Broadway bezahlt hatte, drückte sie den inzwischen sehr dicken und schweren Aktenordner an die Brust und traf Ziegler und Assistant
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