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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten
Autoren: Sibylle Meyer
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Gramm zugelegt. Gott sei Dank. Schon mehrmals hatte Julie das Kleid nur vor ihrem Spiegel probiert. Jedes Mal hatte ihr Herz geklopft, als hinge ihr Leben davon ab.
    „Du siehst gut aus. Lass es endlich dabei. Sonst schaffst du noch, dass ein Fleck drauf kommt.“ ermahnte sie sich selber.
    Am Samstag stand sie schon sehr früh auf. Sie konnte einfach nicht mehr schlafen, auch wenn es bis zu ihrer Verabredung noch mehr als 14 Stunden Zeit hatte. Diese Stunden waren die Schlimmsten! Sie war froh, als es endlich soweit war, dass sie sich fertigmachen konnte. Also: Badewanne, cremen, schminken, stylen parfümieren und dann rein ins Kleid. Silberne Schuhe dazu und fertig! Julie war außer Atem, als sie endlich das fertige Resultat begutachten konnte.
    Wieder wuchs die Unsicherheit in ihr. War sie richtig angezogen? Würde sie ihm gefallen? Was, wenn er wirklich gar nicht auftauchte? Sie kam sich vor wie ein verrückter Teenager, nicht wie eine erwachsene junge Frau! Verflucht noch mal! Du blamierst dich noch! Ich schwöre es Dir! Schimpfte sie mit sich selbst. Aber dann war es soweit. Es klingelte! Julie eilte zur Gegensprechanlage.
    Wenige Minuten später begrüßten sie sich an Julies Haustür mit einem Kuss. Julie stockte der Atem, beinahe wäre sie stehen geblieben. Er sah einfach fantastisch aus! Er trug einen schwarzen, taillierten Anzug mit glänzendem Seidenkragen und dazu ein weißes Hemd und schwarze Fliege. Dieses Outfit kostete sicherlich eine Menge Geld!
    Mein Gott, wo will er mit mir hin? Fragte Julie sich.
    Jetzt fühlte sie wieder die Unsicherheit, die ihr schon die letzten Tage zur Hölle gemacht hatte.
    „Du siehst einfach umwerfend aus!“ sagte er stattdessen.
    Eugeñio deutete auf ein Taxi, das am Straßenrand wartete.
    „Wo gehen wir hin?“ fragte Julie.
    „Du wirst schon sehen! – Nein, besser, wenn ich es dir sage. – Wir gehen in die Oper, zu Les pêcheurs de perles.“
    „In eine Oper?“
    Eugeñio nickte.
    „Du warst noch nie zu einer Opernaufführung?“ fragte er erstaunt.
    „Doch … Nein, war ich noch nicht. Ist das schlimm?“ stotterte Julie.
    „Nein, nur traurig. Du weißt nicht, was dir entgangen ist. Na gut, zugegeben, es ist nicht jedermanns Sache, aber ich glaube, dass es dir gefallen wird.“
    Wenn Du dabei bist, immer!
    Julie ging in Gedanken die Opern durch, von denen sie wenigstens mal was gehört hatte. Zuhause beschränkte sich klassische Musik auf eine CD von Beethoven, es war die Fünfte, Julie war sich aber nicht sicher und eine CD mit der Oper Carmina Burana , die sie einmal von einem Schulkameraden in der Oberschule geschenkt bekommen hatte.
    Das Opernhaus war gewaltig. Es war ein mächtiges, ein berauschendes Gefühl als Julie sich umsah. Eugeñio schob sie sanft zum Lift und sie fuhren zwei Etagen höher, wo sie sich eine Loge zu viert teilten.
    Eugeñio lächelte.
    Die Oper wurde in Französisch gesungen. Schade dachte Julie, dass sie in der Schule nicht besser aufgepasst hatte. So verstand sie nicht alles, was die Sänger von sich gaben. Aber die Darbietung ging ihr unter die Haut. Schon nach wenigen Minuten war sie ganz und gar darauf konzentriert. Ihr Herz spielte die Musik und sang mit den Sopranisten. Eugeñio griff ihre Hand und es passte einfach zur Musik. Im dritten Akt spürte Julie, wie ihr plötzlich Tränen die Wangen herunter liefen. Beschämt wischte sie sie fort und blickte dabei in Eugeñios Augen. Hatte er sie schon die ganze Zeit über beobachtet? Julie spürte Wärme und Glück bei diesem Gedanken.
    Sie waren einer der Letzten, die die Oper verließen.
    „Es war wirklich sehr schön.“ sagte Julie. „Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass …“
    „Warte ab“, unterbrach sie Eugeñio. „Der Abend ist noch nicht zu Ende.“
    Er winkte ein Taxi und sie fuhren etwa eine halbe Stunde durch die Stadt. Die ganze Fahrt über hielt er sie im Arm.
    Julie staunte. Das, wohin Eugeñio sie diesmal gebracht hatte, war ein Ballsaal. Ein richtiger Ballsaal! Hier gab es keine Bluejeans und auch keine kurzen Röcke. Jeder hier war in Abendrobe gekleidet. Julie kam sich vor, als wäre sie in einem Sissifilm gelandet. Es wurden Walzer, Tango und andere klassische Lieder gespielt.
    Zuerst hatte Julie Angst sich hier total zu blamieren, doch Eugeñio war ein hervorragender Tänzer. Er führte sie so sicher übers Parkett, dass sie schon glaubte, sie hätte niemals zuvor etwas anderes getanzt als Walzer, Slow Fox und all die herrlichen Tänze, die nach
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