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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume
Autoren: Roger Zelazny
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Sigmund. Er stellte sich direkt vor ihm auf und starrte ihm in die Augen. Er öffnete und schloß das Maul mehrere Male, aber kein Laut kam daraus hervor. Dann wandte er sich ab und folgte seiner Herrin.
    »Nein«, ertönte Eileens Stimme, »du bleibst hier, bis ich zurückkehre.«
    Render nahm seinen Mantel und zog ihn an. Die Ärztetasche verstaute er auf der linken Seite.
    Als sie auf dem Gang dem Aufzug zustrebten, meinte Render, ein schwaches Heulen zu vernehmen.
    Render wußte, daß er an diesem Ort der Herr aller Dinge war.
    Er fühlte sich daheim in diesen fremdartigen Welten, den zeitlosen, wo die Blumen kopulieren und die Sterne am Himmel kämpfen und danach blutend zu Boden fallen, wo sich das Meer teilt und die Stufen in die Tiefe führen, wo Arme aus den Höhlenwänden erscheinen und Fackeln schwenken, die wie flüssige Gesichter brennen, denn Render hatte diese Welten in seinem Beruf fast zehn Jahre lang besucht. Mittels der Berührung eines Fingers vermochte er die Zauberer hervorzurufen, um sie wegen Verrats am Reich anzuklagen – und er konnte sie hinrichten und ihre Nachfolger einsetzen. Zum Glück war dieser Ausflug nur ein freundschaftlicher Besuch ...
    Er betrat die Lichtung und suchte sie.
    Rundum fühlte er, wie ihre Anwesenheit erwachte.
    Er drang zwischen den Zweigen hindurch und stand neben dem Teich. Er war kalt, blau und grundlos, der Teich, und spiegelte die schlanke Weide wider, die zum Ort ihres Erscheinens geworden war.
    »Eileen!«
    Die Weide wiegte sich ihm zu und wieder von ihm weg.
    »Eileen! Komm heraus!«
    Blätter fielen, schwammen auf dem Teich, zerstörten die spiegelnde Glätte der Oberfläche und verzerrten die Reflexionen.
    »Eileen?«
    Da vergilbten plötzlich alle Blätter und fielen ins Wasser. Der Baum hörte zu schwanken auf. Im dunkler werdenden Himmel ertönte ein sonderbares Geräusch. Es klang wie das Summen von Hochspannungsdrähten an einem kalten Tag.
    Plötzlich erschien eine Doppelreihe von Monden am Himmel.
    Render wählte einen, streckte seine Hand hinauf und drückte ihn. Daraufhin verschwanden die übrigen, es wurde heller, und das Summen verstummte.
    Er ging um den Teich herum, um sich von der Abweisungsaktion und seiner Gegenmaßnahme zu erholen. Durch eine Föhrenallee ging er auf die Stelle zu, wo er die Kathedrale errichten wollte. Nun zwitscherten Vögel in den Zweigen. Ein sanfter Wind wehte. Er fühlte ihre Anwesenheit ziemlich stark.
    »Hier, Eileen. Hier!«
    Da ging sie neben ihm – grüne Seide, Haar von Bronze, Augen aus geschmolzenen Smaragden. Auf der Stirn trug sie ebenfalls einen Smaragd. Sie schritt in grünen Pantoffeln über die Föhrennadeln und fragte: »Was ist geschehen?«
    »Du hattest Angst.«
    »Warum?«
    »Vielleicht fürchtest du die Kathedrale. Bist du eine Hexe?« Er lächelte.
    »Ja, aber heute habe ich frei.«
    Er lachte und nahm sie am Arm. Sie umrundeten eine Strauchgruppe, und vor ihnen erhob sich die Kathedrale hoch über die Bäume, atmete Orgeltöne und reflektierte einen Sonnenstrahl in einer Glasscheibe.
    »Halt dich gut an der Welt an«, sagte er. »Nun kommt die Führung.«
    Sie gingen auf die Kathedrale zu und traten ein.
    »›... Die wie Baumstämme wirkenden Säulen reichen vom Boden bis zur Decke und teilen den Raum harmonisch‹«, sagte er. »Das habe ich aus dem Reiseführer. Dies ist das nördliche Querschiff ...«
    »Greensleeves«, sagte sie. »Die Orgel spielt Greensleeves.«
    »Ja, das tut sie. Aber dafür kannst du nicht mich verantwortlich machen. Beachte die gerillte Kapitelle ...«
    »Ich möchte näher an die Musik heran.«
    »Na schön. Komm hier entlang.«
    Render fühlte, daß etwas nicht stimmte, aber er kam nicht darauf, was es war.
    Alles behielt seine Solidität ...
    Da flog etwas rasch hoch oben über der Kathedrale hinweg, und ein Überschallknall erklang. Render lächelte und erinnerte sich nun. Es war, als verspräche man sich: Einen Augenblick lang hatte er Eileen mit Jill verwechselt. Ja, das war es.
    Nun, so ...
    Der Altar war ein weißes Strahlen. Er hatte ihn noch nie zuvor irgendwo gesehen. Die Wände um sie waren dunkel und kalt. In Ecken und hohen Nischen flackerten Kerzen. Die Orgel dröhnte unter unsichtbaren Händen.
    Render wußte, daß etwas nicht stimmte.
    Er wandte sich an Eileen Shallot, deren Hut aus einem grünen Kegel bestand, der sich in die Finsternis empor erstreckte und von dem grüne Schleier wehten. Ihr Hals befand sich im Schatten, aber ...
    »Das Halsband
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