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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume
Autoren: Roger Zelazny
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geglitten. Um den roten Knopf zu drücken, bedurfte es eines bewußten Willensakts.
    Render zog den Arm aus der Schlinge und nahm den Helm ab, der ihm mit seinen vielen Kabeln und den Mikroschaltungen das Aussehen einer Medusa verliehen hatte. Er erhob sich und trat ans Fenster. Er machte es durchsichtig und steckte sich eine Zigarette an. Eine Minute im Rob-Schoß, beschloß er. Nicht länger. Dies war entscheidend ... Hoffentlich fängt es nicht zu schneien an. Die Wolken wirken bedrohlich ...
    Die hoch aufragenden Wohntürme schimmerten grau unter dem schieferfarbenen Himmel, durchbrochen von den unregelmäßigen Mustern von gelben Rechtecken erleuchteter Fenster. Die Stadt war wie eine Ansammlung quadratischer vulkanischer Inseln, die in der Dämmerung glühten und tief unter der Erde grollten. Der Strom des Verkehrs riß nie ab.
    Render wandte sich vom Fenster ab und trat an das riesige Ei heran, das glatt und glitzernd neben seinem Schaltpult lag und sein Spiegelbild verzerrt wiedergab. Er drückte den anderen roten Knopf auf der Schalttafel.
    Mit einem seufzenden Geräusch wurde das Ei durchsichtig, und rundum entstand ein Spalt. Render sah, wie Erikson eine Grimasse schnitt und krampfhaft die Augen geschlossen hielt, als er gegen die Rückkehr des Bewußtseins und das, was es mit sich brachte, ankämpfte. Die obere Hälfte des Eies glitt senkrecht hoch. Erikson lag rosig und nackt auf der unteren Hälfte. Als er die Augen aufschlug, sah er Render nicht an. Er erhob sich und begann sich anzuziehen. Unterdessen überprüfte Render den Rob-Schoß.
    Er beugte sich über sein Schaltpult und drückte der Reihe nach bestimmte Knöpfe: Temperaturkontrolle über den gesamten Bereich – o.k. Spezielle Geräusche – er setzte die Kopfhörer auf – wie Glocken, Summer, Geigentöne, Pfeifen, Quietschen, Stöhnen, Verkehrslärm, Brandung – o.k. Rückkopplung mit der Stimme des Patienten, die anläßlich einer früheren Sitzung aufgenommen worden war – o.k. Feuchtigkeitsregler und Geruchgenerator – o.k. Die Bewegungsmechanik der Unterlage und die farbigen Lichter, die Geschmacksimulatoren ...
    Render schloß das Ei und schaltete es ab. Er schob es in den Wandkasten und schloß die Tür.
    »Setzen Sie sich«, wies er Erikson an.
    Der Mann tat, wie ihm geheißen, und nestelte an seinem Kragen.
    »Sie können sich an alles erinnern«, sagte Render, »und daher brauche ich das Geschehen nicht zusammenzufassen. Mir ist nichts verborgen. Ich war selbst dabei.«
    Erikson nickte.
    »Die Bedeutung der Episode müßte Ihnen klar sein.«
    Wieder nickte Erikson. Endlich fand er seine Stimme. »Aber welche Schlüsse können daraus gezogen werden?« fragte er. »Ich meine, Sie haben ja den Traum konstruiert und die ganze Zeit kontrolliert. Ich habe ihn nicht wirklich geträumt, so wie ich normalerweise träumen würde. Sie haben ja die Möglichkeit, Dinge geschehen zu lassen, und schaffen somit selbst die Voraussetzungen dafür, was Sie mir sagen werden, oder?«
    Render schüttelte langsam den Kopf, schnippte Asche in die südliche Hälfte seines die Weltkugel darstellenden Aschenbechers und begegnete Eriksons Blick.
    »Es stimmt, ich habe den Rahmen geschaffen und die Details modifiziert. Sie aber verliehen ihnen emotionelle Bedeutung, machten sie zu Symbolen, die Ihrem Problem entsprechen. Aus dem Traum lassen sich sehr wohl Schlüsse auf Ihr Befinden ziehen, denn Sie reagierten stark darauf, wie die Angst-Muster auf den Bändern zeigen.
    Sie befinden sich nun seit vielen Monaten in Behandlung«, fuhr er fort, »und alles, was ich bisher entdecken konnte, überzeugt mich davon, daß Ihre Furcht vor einem Attentat jeder Grundlage entbehrt.«
    Erikson sah Render durchdringend an. »Warum, zum Teufel, habe ich dann diese Furcht?«
    »Weil Sie den Wunsch hegen, das Opfer eines Attentats zu sein.«
    Da lächelte Erikson. Er hatte seine Fassung wiedergewonnen. »Ich versichere Ihnen, Herr Doktor, ich habe nie an Selbstmord gedacht und hege auch nicht den Wunsch, aus dem Leben zu scheiden.« Er zündete sich eine Zigarre an. Seine Hand zitterte.
    »Als Sie mich im Sommer aufsuchten, teilten Sie mir mit, Sie fürchteten ein Anschlag auf Ihr Leben. Sie drückten sich nicht klar darüber aus, warum Sie jemand umbringen wolle ...«
    »Meine Stellung! Man kann nicht so lange Abgeordneter sein, wie ich es bin, ohne sich Feinde zu schaffen!«
    »Und doch scheint es Ihnen gelungen zu sein. Als Sie mir gestatteten, die Angelegenheit mit Ihren
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