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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume
Autoren: Roger Zelazny
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doch aus irgendeinem Grund war er dazu nicht aufgelegt.
    Es war einige Wochen her, seitdem er seinen Klub, The Partridge and Scalpel, einen Besuch abgestattet hatte, und er verspürte das drängende Bedürfnis, allein an einem Eichentisch in dem Speisesaal mit den drei offenen Kaminen, unter den künstlichen Fackeln und den Wildschweinköpfen an den Wänden zu essen. Daher steckte er seine perforierte Mitgliedskarte in den Schlitz des Telefons auf seinem Schreibtisch, worauf zwei Summtöne zu hören waren.
    »Hallo, Partridge and Scalpel «, sagte eine Stimme. »Womit kann ich dienen?«
    »Charles Render. Ich hätte gern einen Tisch in einer halben Stunde.«
    »Für wie viele Personen?«
    »Nur für mich.«
    »Gut, Sir. In einer halben Stunde also. Der Name war Render?«
    »Richtig.«
    »Ich danke.«
    Er unterbrach die Verbindung und erhob sich. Draußen war es Abend geworden. Die Monolithe und Türme erschienen nun in ihrem eigenen Licht. Weicher Schnee fiel sanft durch die Schatten herab und verwandelte sich auf den Fensterscheiben in Wassertropfen.
    Render schlüpfte in den Mantel, löschte die Lichter und versperrte die Tür zum inneren Praxisraum. Auf Mrs. Hedges Notizblock fand er eine Nachricht.
    Miß DeVille hat angerufen, stand da.
    Er zerknüllte das Papier und warf es in den Abfallschacht. Er würde sie morgen anrufen und sagen, er hätte bis spät an seinem Vortrag gearbeitet.
    Er drehte das Licht ab, setzte seinen Hut auf, ging hinaus und versperrte die Eingangstür hinter sich. Mit dem Aufzug fuhr er in den Sub-Subkeller, wo er sein Auto hatte.
    Es war kalt da unten, und seine Schritte hallten von den Betonwänden wider, als er zwischen den geparkten Fahrzeugen ging. Unter dem kalten Glanz der Lichter wirkte sein S-7-Flitzer wie ein schlanker, grauer Kokon, aus dem sich jeden Augenblick Flügel schieben mochten. Die Doppelreihe von Antennen, die fächerförmig aus dem Bug sprossen, verstärkte noch diesen Eindruck. Render öffnete mit einem Daumendruck die Tür.
    Er berührte die Zündung, und es klang, als erwache eine einzelne Biene in einem Bienenstock. Die Tür schloß sich automatisch, als er das Lenkrad hochhob und einrasten ließ. Er fuhr die Spirale hoch und hielt vor der Ausfahrt an. Als sich das Tor hochschob, stellte er den Karten-Schirm an, der aufleuchtete. Er drehte an dem Knopf, der die Karte verschob. Von links nach rechts und von oben nach unten ließ er einen Sektor nach dem anderen vorbeigleiten, bis er den gefunden hatte, auf dem sich die Carnegie Avenue befand. Er gab die Koordinaten ein und versenkte das Lenkrad wieder. Dadurch trat die Automatik in Funktion, und das Auto glitt auf die Schnellstraße. Render zündete sich eine Zigarette an.
    Er schob seinen Sitz in die Mitte des Fahrzeugs und ließ alle Fenster durchsichtig. Er mochte es, sich zurückzulehnen und die entgegenkommenden Autos wie einen Glühwürmchenschwarm an sich vorüberziehen zu sehen. Er schob den Hut in den Nacken und starrte hoch.
    Er erinnerte sich an die Zeit, da er Schnee gemocht hatte, da er ihn an Romane von Thomas Mann erinnerte und an die Musik skandinavischer Komponisten. Nun mengte sich ein anderes Element in seine Empfindungen, eines, von dem er nie wieder loskommen würde. Deutlich sah er die milchweißen Wirbel der Kälte, die um sein altes, handgesteuertes Auto spielten und das von Feuer geschwärzte Innere bedeckten. Jedesmal, wenn er nun fallenden Schnee betrachtete, wußte er, daß irgendwo Schädel bleichten. Aber neun Jahre hatten viel von dem Schmerz weggewaschen, und er vermochte auch die Schönheit zu empfinden, die der Nacht anhaftete.
    Das Auto trug ihn über breite Straßen, flitzte über hohe Brücken, deren Fahrbahnen unter den Lichtern schimmerten, und tauchte in einen Tunnel, dessen matt erleuchteten Wände verschwommen an ihm vorbeirasten. Da machte er die Fenster undurchsichtig und schloß die Augen.
    Er konnte sich nicht erinnern, ob er gedöst hatte oder nicht, als er spürte, wie die Fahrt langsamer wurde. Er schob den Sitz wieder vor und machte die Fenster wieder transparent. Fast zur gleichen Zeit ertönte ein Summer. Er hob das Lenkrad an, fuhr in die Parkhalle, stieg aus und überließ das Auto dem Park-System, nachdem er von einem Robot einen Schein erhalten hatte, der sich an der Menschheit rächte, indem er jedem, dem er diente, eine papierene Zunge entgegenstreckte.
    Wie stets waren die Geräusche ebenso gedämpft wie die Lichter. Das Lokal schien jeden Laut zu
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