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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume
Autoren: Roger Zelazny
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frage mich«, sagte Render, »ob die letzte Sitzung irgendwelche Nachwirkungen mit sich brachte – Träume von Formen oder Halluzinationen oder ...«
    »Ja«, sagte sie tonlos, »Träume.«
    »Welche Art von Träumen?«
    »Von der letzten Sitzung. Ich habe immer wieder davon geträumt.«
    »Von Anfang bis Ende?«
    »Nein, die Ereignisse kamen in keiner bestimmten Reihenfolge. Wir fuhren durch die Stadt oder über die Brücke oder saßen am Tisch oder gingen zum Auto. Es waren nur kurze Sequenzen. Äußerst lebende.«
    »Von welchen Gefühlen waren diese Sequenzen begleitet?«
    »Ich weiß nicht. Sie waren völlig verschiedenartig.«
    »Und welche Gefühle hast du nun?«
    »Dieselben. Ganz verschiedenartige.«
    »Hast du Angst?«
    »N-nein. Ich glaube nicht.«
    »Möchtest du, daß wir eine Pause machen? Hast du das Gefühl, daß wir zu rasch vorgegangen sind?«
    »Nein. Keineswegs. Es ist ... nun, es ist, wie wenn man schwimmen lernt. Wenn man es endlich geschafft hat, dann schwimmt man und schwimmt man und schwimmt man, bis man gänzlich erschöpft ist. Dann liegt man da und schnappt nach Luft und denkt daran, wie es war, während die Freunde umherstehen und dich rügen, weil du dich überanstrengt hast. Und es ist ein schönes Gefühl, obwohl man friert und es in den Muskeln sticht. So ist zumindest meine Art. So fühlte ich mich nach der ersten Sitzung und nach der letzten. Es ist stets etwas Besonderes mit dem erstenmal ... Nun sticht es jedoch nicht länger, und ich atme wieder normal. Gott, ich möchte jetzt nicht aufhören! Ich fühle mich gut.«
    »Schläfst du üblicherweise am Nachmittag?«
    Ihre roten Fingernägel fuhren über den Tisch, als sie sich streckte.
    Sie lächelte und unterdrückte ein Gähnen. »Die halbe Belegschaft ist auf Urlaub oder krank, und ich habe die ganze Woche mein Hirn überanstrengt. Als ich heute heimging, fiel ich fast um vor Müdigkeit. Aber jetzt bin ich wieder in Ordnung, nachdem ich mich ausgerastet habe.«
    Sie nahm die Kaffeetasse in beide Hände und tat einen großen Schluck.
    »Aha«, sagte er. »Gut. Ich habe mir deinetwegen ein wenig Sorgen gemacht. Ich bin froh zu erfahren, daß es dafür keinen Grund gab.«
    »Du hast dir Sorgen gemacht? Du hast Dr. Riscombs Protokoll meiner Psychoanalyse und des ONT&R-Versuches gelesen und glaubst, dir meinetwegen Sorgen machen zu müssen? Ha! Ich habe eine Operationen günstige Neurose, was meine Zulänglichkeit als Mensch betriff. Sie sammelt meine Energien und koordiniert meine Anstrengungen zielgerecht. Sie verstärkt mein Identitätsgefühl ...«
    »Du hast ein verdammt gutes Gedächtnis«, stellte er fest. »Das war fast wörtlich.«
    »Natürlich.«
    »Du hast heute auch Sigmund beunruhigt.«
    »Sigmund? Auf welche Weise?«
    Der Hund bewegte sich unruhig und öffnete ein Auge.
    »Ja«, grollte er und starrte zu Render hoch. »Er soll heimfahren.«
    »Bist du wieder mit dem Auto gefahren?«
    »Ja.«
    »Nachdem ich es dir untersagt habe?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Ich hatte Angst. Du hast mir nicht geantwortet, als ich sprach.«
    »Ich war sehr müde. Und wenn du wieder das Auto benützt, werde ich die Tür umbauen lassen, so daß du nicht mehr nach Belieben kommen und gehen kannst.«
    »Es tut mir leid.«
    »Mir fehlt nichts.«
    »Ich verstehe.«
    »Du darfst es nie wieder tun.«
    »Es tut mir leid.« Sein Auge war unverwandt auf Render gerichtet. Es wirkte wie eine glühende Linse.
    Render wandte den Blick ab.
    »Sei nicht so streng mit dem armen Kerl«, sagte er. »Er hat ja nur geglaubt, daß du krank bist, und den Arzt geholt. Nimm an, er hätte recht gehabt! Da wärest du ihm Dank schuldig und keine Scheltworte.«
    Sigmund war durch die Worte nicht besänftigt, sondern starrte Render noch einige Sekunden lang an, ehe er das Auge wieder schloß.
    »Man muß es ihm sagen, wenn er etwas Falsches macht«, wehrte sie sich.
    »Ich nehme an, es ist kein Schaden geschehen«, sagte Render und trank seinen Kaffee aus. »Nachdem ich schon hier bin, wollen wir über berufliche Dinge sprechen. Ich schreibe an etwas und hätte gern eine Stellungnahme.«
    »Großartig. Bekomme ich eine Fußnote?«
    »Zwei oder drei. – Unterscheiden sich deiner Meinung nach die allgemeinen, tieferen Motivationen, die zu Selbstmorden führen, in den verschiedenen Kulturen?«
    »Meine wohlüberlegte Meinung ist: nein, das tun sie nicht. Frustrationen können zu Depressionen oder Wutausbrüchen führen, und – sind diese schwer genug – zur
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