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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
Autoren: Andreas Eschbach
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eine geklebte Bruchstelle.« Sie drückte auf den Knopf am Rücken, und die Puppe sagte: »Bin ich nicht schön?«
    Charlotte streckte die Hand noch einmal aus, und diesmal bekam sie die Puppe ausgehändigt. Sie schloss sie in die Arme, machte die Augen für einen Moment zu. »Das war der Junge«, erklärte sie. »Er hat die Puppe repariert. Er hat mich von seinem Fenster aus beobachtet, die ganze Zeit.«
    »Wie bitte?«, fragte Mutter entgeistert. »Wieso erzählst du mir das erst jetzt? «
    Hiroshi und seine Mutter saßen gerade beim Abendessen, als es an der Tür klingelte. Hiroshi ging aufmachen. Es war Herr Inamoto, der Chef der Firma, bei der Mutter angestellt war. DieFirma erledigte allerlei Reinigungsarbeiten und arbeitete schon seit Langem für die französische Botschaft.
    »Hallo, Hiroshi«, sagte er. »Ich muss deine Mutter sprechen.«
    Hiroshi mochte Herrn Inamoto nicht, mit seinen Spinnenfingern und seinem feisten Gesicht. Vor allem schaute er Hiroshi immer an, als verdächtige er ihn, etwas angestellt zu haben. Es war unübersehbar, dass Herr Inamoto keine Kinder mochte.
    Mutter kam. Hiroshi ging zurück ins Zimmer, setzte sich wieder an den Tisch und wartete. Er lauschte den Stimmen im Flur. Herr Inamoto klang verärgert, sprach aber so leise, dass Hiroshi fast nichts davon verstand.
    »… sagt, sie hat die Puppe im Garten liegen lassen. Und der Gärtner weiß von nichts. Also, wie ist sie hinaus auf die Straße …?«
    Mutter murmelte etwas.
    »Ich habe Ihnen klipp und klar gesagt, dass der Junge nicht auf das Gelände der Botschaft darf. Dass Sie ihn nicht mitnehmen dürfen und dass Sie Ihre Schlüssel und Zugangskarte sicher verwahren müssen«, mahnte Herr Inamoto.
    »Ja«, hörte Hiroshi seine Mutter sagen. »Das haben Sie gesagt. Ich habe es ihm auch gesagt. Er weiß es.«
    »Verstehen Sie, das hat nichts mit Unfreundlichkeit zu tun, sondern das sind die Sicherheitsmaßnahmen einer Botschaft. Das ist ganz normal. Das wird überall so gehandhabt.«
    »Ja, natürlich.«
    Immer, wenn er seine Mutter in diesem unterwürfigen Tonfall reden hörte, wurde Hiroshi wütend. Wütend, dass es Leute wie Inamoto gab, die nur ans Geld dachten und denen man nur deswegen schöntun musste, weil sie reich waren.
    »Er zahlt dir übrigens viel zu wenig«, sagte Hiroshi, als das Gespräch endlich, mit schrecklich vielen Höflichkeitsbezeugungen seiner Mutter, zu Ende war und sie zurück an den Tisch kam. »Er berechnet der Botschaft bestimmt das Doppelte von dem, was er dir zahlt.«
    Mutter hörte gar nicht hin, wie immer, wenn er mit diesem Thema anfing. Stattdessen verhörte sie ihn wegen dieser Puppe.
    »Ich hab sie eben gefunden«, erklärte Hiroshi trotzig. »Und ich hab sie zurückgebracht. Was ist daran verkehrt?«
    »Wo hast du sie gefunden?«
    Die Antwort auf diese Frage hatte sich Hiroshi schon zurechtgelegt, noch während sie mit Inamoto geredet hatte. Da er unmöglich zugeben konnte, im Garten gewesen zu sein, erklärte er: »Drüben bei dem kleinen Tor.«
    Das war zumindest nicht ganz falsch, wenn es auch unterschlug, auf welcher Seite des Tores er die Puppe gefunden hatte. Aber wer wollte ihm das Gegenteil beweisen? Mutter wusste, welches Tor er meinte: das schmale, grau lackierte Eisentor in der Gasse schräg gegenüber, hinter dem die Mülleimer der Botschaft standen und durch das sie abgeholt wurden, in der Regel am Dienstagnachmittag. War doch möglich, dass dabei irgendwas herausfiel, oder?
    »Vor dem kleinen Tor lag eine Puppe?« Sie musterte ihn skeptisch. »Ich habe nichts gesehen. Wann war das?«
    »Am Dienstag. Und die Puppe war in einer Plastiktüte vom Dai-ei -Markt.«
    »Und warum hast du sie erst heute in der Botschaft abgegeben?«
    Hiroshi hob die Schultern. »So halt.«
    »Wieso warst du überhaupt draußen? Du hast doch die ganze Zeit am Fenster gesessen.«
    »Ich war eben draußen. Du hast doch immer gesagt, ich soll mal rausgehen.«
    Mutter ließ sich das alles durch den Kopf gehen, die Essstäbchen reglos in der Hand. Das ganze Essen wurde kalt, bloß wegen dieser blöden Puppe! Er hätte sie doch wegwerfen sollen.
    » Inamoto-san hat gesagt, jemand hätte die Puppe repariert«, fing Mutter noch einmal an. »Warst du das?«
    Hiroshi zögerte, dann hob er die Schultern. »Der Kopf warab. Ich hab ihn eben wieder aufgesteckt. Damit es nicht heißt, ich hätte sie kaputt gemacht.«
    »Und du wusstest, dass sie dem Mädchen gehört?«
    »Ich hab gesehen, wie sie damit gespielt hat.«
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