Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
gestört. Hiroshi berührte die fein ziselierten Wülste, Stränge und Girlanden, die die Innenseite der Höhle bedeckten, in der er stand. Sie fühlten sich kalt an und waren messerscharf. Kein Wunder. Rein mathematisch ging die Mandelbrot-Menge ins Unendliche; man konnte jeden noch so winzigen Teil ihrer Darstellung vergrößern und fand immer wieder Abgründe weiterer Strukturen,selbstähnlich und doch stets unvorhersehbar. Rein mathematisch gab es kein Ende. Physikalisch aber musste es natürlich eines geben. Sobald die Größenordnung einzelner Atome erreicht war, war zwangsläufig Schluss. Mit anderen Worten: Dort, wo sich Spitzen, Kanten, Vorsprünge gebildet hatten, waren sie schärfer als Skalpelle.
    Das sollte seine Verfolger ausreichend lange aufhalten, um ihm Zeit zu geben zu tun, was noch zu tun war.
    Er ging im Geiste alles noch einmal durch, vergewisserte sich, dass er nichts übersehen hatte.
    Die Naniten im Asteroidengürtel: Auf seinem Weg nach Buenos Aires hatte er eines Nachts irgendwo in Guatemala, in einem menschenleeren Tal abseits des Transamericana Highway , eine Schüsselantenne errichtet und Funkkontakt mit ihnen aufgenommen. Es hatte zwar nervzehrend lange gedauert – ein Funkspruch von der Erde zu den Asteroiden war eine gute Stunde unterwegs –, aber sie hatten sich gemeldet und den Kill-Befehl bestätigt. Ohne Zweifel hatten sie danach, gleichgültige Maschinen, die sie waren, unverzüglich begonnen, einander gegenseitig zu zerlegen.
    Inzwischen konnte er davon ausgehen, dass von den Naniten im Asteroidengürtel keiner mehr übrig war. Das zweite Habitat, das sich mitten im Bau befunden hatte, würde unvollendet bleiben, vermutlich für alle Zeiten.
    Und was aus dem ersten Habitat werden würde … Nun, das war nicht mehr sein Problem.
    Die Naniten, die bis jetzt um ihn gewesen waren, hatten ebenfalls bereits begonnen, einander aufzulösen. Das, was sie gebaut hatten, blieb, doch es würde nichts Neues mehr entstehen. Niemals wieder.
    Seine alten Programme und Daten hatte er alle gelöscht. Auch sämtliche Sicherungskopien. Auch die in den Datenhäfen.
    Dasselbe galt für die Kopien der »metallenen Bibliothek«, der Informationsmatrix der Naniten.
    Und selbst falls er eine Kopie übersehen oder die Geheimdienste unbemerkt doch eine in ihren Besitz gebracht haben sollten, galt für diejenigen, die sich einst damit befassen mochten, dasselbe wie für ihn, ehe er den Naniten begegnet war: Sie würden keine Naniten bauen können, weil ihnen der erste Nanit, der Ur-Nano-Assembler fehlte.
    Und das Wissen, wie man den baute, hatte er nirgends niedergelegt. Das würde er mit ins Grab nehmen.
    Hiroshi betrachtete den Boden, auf dem er stand, etwa ein Quadratmeter des ursprünglichen Grasbodens, den die Naniten bei der Konstruktion seines Refugiums so gelassen hatten, wie er war.
    Dies also war das Ende seines Weges, das Ende seines Traums. In Kürze würde der letzte Nanit zerstört sein und damit auch die Zukunft, in der unbegrenzter Reichtum für alle möglich gewesen wäre. Es war ein Traum, der sich als Albtraum entpuppt hatte.
    »Mit anderen Worten, er hat sich verschanzt«, resümierte der amerikanische Präsident den Bericht seines Verteidigungsministers. Er hatte gerade mit der argentinischen Präsidentin telefoniert. Man war sich einig, dass man die Situation in gemeinsamer Anstrengung beider Nationen bewältigen wollte.
    Verschanzt? Der Verteidigungsminister überlegte, ob diese Bezeichnung angebracht war. Dieses Wort ließ ihn an die Erzählungen seines Großvaters denken, der im Weltkrieg mitgekämpft und die Graben- und Stellungskämpfe miterlebt hatte. Sich zu verschanzen, das hatte geheißen, mit unzureichenden Hilfsmitteln unzureichende Löcher in den Boden zu graben, um darin unzureichenden Schutz vor feindlichen Angriffen zu finden. Grandpa hatte keinerlei Zweifel daran gelassen, dass das eine ausgesprochen dreckige, erbärmliche Angelegenheit gewesen war.
    »Nun ja«, meinte er. »In gewisser Weise. Sozusagen die Luxusversion davon.«
    »Und wie gedenken Sie nun vorzugehen? Wollen Sie das Ding bombardieren lassen?« Der Präsident rieb sich nachdenklich das Kinn. »An und für sich wäre es wünschenswert, es zu erhalten. Es ist die Mandelbrot-Menge, nicht wahr? Eine halbe Meile im Durchmesser – wann kriegt man das je wieder zu sehen?«
    »Genauer gesagt, die dreidimensionale Variante davon. Die Mathematiker nennen es einen ›Mandelbrot-Bulb‹.« Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher